Benito Mussolini in einer seiner typischen Rednerposen
Foto:
Unbekannter Autor
Die Italiener von heute und der Faschismus:
Dass die Vergangenheitsbewältigung keine einfache Sache ist, davon wissen
wir Deutschen ein Lied zu singen. Und die deutsche Vergangenheit, besonders
was die 12 Jahre zwischen 1933 und 1945 betrifft, wird uns und die Welt noch
eine ganze Weile beschäftigen - zu Recht.
In Italien sind die 20 Regierungsjahre Mussolinis, der das kriegsunwillige
Italien mit aller Macht an der Seite Hitlers in den zweiten Weltkrieg zwang,
kaum ein Thema. Heftig diskutiert wird die "Resistenza", der Widerstand gegen
Mussolini und Hitlerdeutschland gegen Ende des Krieges, aber das
"Ventennio", die zwanzigjährige faschistische Diktatur unter dem "Duce"
Mussolini, die immerhin für die 400.000 Tote verantwortlich war, die Italien
im zweiten Weltkrieg zu beklagen hatte, scheint kein Thema mehr zu sein. Dass
eine Enkelin Mussolinis bis 2014 Abgeordnete im Senat in Rom war und bis
heute ganz ungeniert bei jeder möglichen Gelegenheit von sich gibt, dass ihr
Großvater im Grunde ein großer Mann war, stört nur wenige. Für die meisten
Italiener bleibt die faschistische
Vergangenheit ihres Landes unbewältigt. Und auch deshalb treiben Neofaschismus und Antisemitismus in den
letzten Jahren immer neue Blüten.
Der sozialistische Mussolini und seine Wendung nach rechts:
Benito Mussolini wurde am 29. Juli 1883 in Dovia (Emilia-Romagna) geboren.
Seine Eltern waren überzeugte Sozialisten und gaben ihrem Jungen den
Vornamen des mexikanischen Revolutionärs Benito Juárez. Benito Mussolini
übernahm die politischen Überzeugungen seiner Eltern und fiel in seiner
Schulzeit besonders durch einen ausgeprägten Kirchenhass auf. 1901 machte er
das Abitur und erwarb das Diplom eines Grundschullehrers. Ein Jahr später
wanderte er jedoch in die Schweiz aus, vor allem um der Einziehung zum
italienischen Militärdienst zu entgehen. In der Schweiz war er an einigen
Aktionen linksradikaler Gruppen beteiligt und kam so auch mit den Schweizer
Behörden in Konflikt (siehe das Polizeifoto oben).
Eine Amnestie gestattete es Mussolini, im Jahr 1904 nach Italien
zurückzukehren, wo er in den darauffolgenden Jahren als
Funktionär der
Sozialistischen Partei wirkte und bald durch seine Zeitungsartikel und seine
flammenden Reden eine Schlüsselrolle in der Partei erreichte. Im Dezember
1912 wurde Mussolini Chefredakteur des Parteiorgans "Avanti!" und
verschaffte der Zeitung einen enormen Zuwachs an Lesern. Die Erfolge der
Sozialisten bei den Wahlen im Jahr 1913 waren nicht zuletzt ein Verdienst
Mussolinis.
Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach - Italien war bis 1915 noch neutral -
wurden die Artikel und Reden Mussolinis zunehmend nationalistisch und
kriegsbejahend und so kam er immer mehr in Kontrast zur Führung der Partei.
Nach seinem Auschluss aus der Redaktion von "Avanti!" gründete Mussolini
eine eigene Zeitung ("Il Popolo d'Italia") und begann mit einer intensiven
Werbung für den Kriegseintritt Italiens an der Seite Englands und
Frankreichs, gegen Deutschland und Österreich.
Im Jahr 1919, nach dem Ende des Krieges, aus dem Italien auf der
Gewinnerseite hervorging, gründete Mussolini die Faschistische Partei, aber aufgrund ihres konfusen Programms,
einer Mischung aus antikapitalistischen, antimonarchistischen und
antiklerikalen Programmpunkten mit starken nationalistischen Untertönen, kam sie
bei den Wählern anfangs wenig an. Das sollte sich allerdings bald ändern.
Die Jahre nach dem ersten Weltkrieg waren charakterisiert durch zahlreiche
Streiks und durch Gewaltaktionen vor allem von rechtsradikalen Gruppen, die
von der Regierung aus Angst vor einer Revolution wie in Russland weitgehend
tolleriert wurden. Die politische Unsicherheit war allgegenwärtig und Mussolini tat
alles, um sie mit den von ihm gegründeten "Fasci italiani di combattimento"
(Italienische Kampfbünde) noch anzuheizen. Die neue ultrarechte Linie von
Mussolini war: auf der einen Seite die Verstärkung des Terrors der "Fasci",
auf der anderen das Warten auf den Ruf, als "starker Mann" Italien den sozialen
Frieden zu bringen.
1922-1939: Mussolini an der Macht
Im Oktober 1922 hielt Mussolini die Zeit für reif: er organisierte mit etwa
40.000-50.000 Parteigängern einen "Marsch auf Rom", um den König und die
Regierung zu erpressen: entweder Mussolini an der Regierung oder das Chaos
in Italien. Seine Rechnung ging auf, Mussolini wurde zum Ministerpräsident
ernannt.
In den folgenden Jahren, besonders ab 1925, errichteten die Faschisten mit
Mussolini an der Spitze eine totalitäre Diktatur. Die im November 1921
gegründete "Nationale Faschistische Partei“ (Partito Nazionale Fascista)
wurde zur Einheitspartei, regimekritische Zeitungen wurden verboten und die
Gegner der Faschisten mit polizeistaatlichen Repressionsmaßnahmen verfolgt.
1938 begann die von Mussolini gewollte
rassistische Wende des Faschismus. Zwischen Juli und November 1938
erschienen eine ganze Reihe von Manifesten und Gesetzen, die die Existenz
einer reinen italienischen Rasse proklamierten, von der die Juden als
"rassefremd" ausgeschlossen waren. Die Verheiratung „arischer“ Italiener mit
Angehörigen „anderer Rassen“ wurde verboten. Die Juden wurden aus dem
Militär, dem Bildungswesen, der Verwaltung, aus großen Teilen des
Wirtschaftslebens und aus der faschistischen Partei ausgeschlossen. Obwohl
die Rassenvernichtung, im Gegensatz zum Nationalsozialismus in Deutschland,
nicht zu den expliziten Zielen des italienischen Antisemitismus gehörte, wurden in der
Italienischen Sozialrepublik (siehe unten) ab November 1943 die Juden
verhaftet und in italienischen Konzentrationslagern interniert, was dann
meist im
Holocaust endete.
Was die außenpolitische Rolle Italiens betraf, war der Traum von Mussolini, Italien wieder die Macht zu geben, die das alte
Rom innehatte. Sein "Neues Römisches Imperium“ strebte zunächst die
Herrschaft im Mittelmeerraum an. Bereits in den 1920er Jahren ließ er eine
Marinebasis auf der türkischen Insel Leros errichten und verschärfte die
italienische Kontrolle über Albanien und Libyen. Zwischen 1935 und 1936
eroberte Italien Äthiopien. Dabei setzte die italienische Armee auch Giftgas
ein und machte auch nicht vor Massenliquidierungen der Einheimischen und der
Verbrennung von Dörfern, Vieh und Feldern halt. Britisch-Somaliland wurde
1940 besetzt und Italienisch-Ostafrika angegliedert. Auch im
spanischen
Bürgerkrieg (1936-39) mischte Mussolini mit, indem er die Putschisten unter
General Franco gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung
tatkräftig militärisch unterstützte.
1939-1943: Mussolini zwingt Italien in den zweiten Weltkrieg
In den 1920er Jahren stand Mussolini Hitler noch relativ skeptisch
gegenüber, auch dessen Rassentheorie teilte er - wenigstens anfangs - noch nicht. Als Hitler dann 1933
an die Macht kam, musste Mussolini schnell erkennen, dass er Hitler
gründlich unterschätzt hatte: die Schnelligkeit und die Brutalität, mit der
Hitler seine Diktatur in Deutschland etablierte, flößten ihm Respekt ein.
Hitler arbeitete von Anfang an zielstrebig auf einen Krieg hin, und obwohl
auch Italiens Außenpolitik keineswegs friedlich war (siehe oben) war das
Land nicht auf einen Krieg, wie Hitler ihn wollte, vorbereitet. Militärisch
war Italien durch seine aufwendigen Kolonialabenteuer ziemlich ausgeblutet
und die Mehrheit der Italiener hatte absolut keine Lust, sich in einen
Krieg mit unvorhersehbaren Ausmaßen hineinziehen zu lassen. Aber Mussolini
fühlte sich unter Zugzwang, er musste beweisen, dass er kein "Feigling" war.
So entstand die "Achse Rom-Berlin".
Als Hitler den Krieg im September 1939 vom Zaun brach, war Mussolini
keineswegs erfreut, sein Land war zu diesem Zeitpunkt noch absolut unfähig,
in den Krieg einzugreifen. Aber Mussolini wollte um jeden Preis unter den Siegern des gerade
begonnenen Krieges sein.
Durch eine fieberhafte Aufrüstung und eine massive Kriegspropaganda
versuchte er Italien materiell und psychologisch kriegsfähig zu machen.
1940, als nach den erfolgreichen
"Blitzkriegen" Deutschlands der Kriegsausgang einigermaßen sicher erschien,
erklärte Italien England und Frankreich den Krieg. Aber schon die ersten
italienischen Offensiven auf dem Balkan endeten kläglich: eine
dilettantische Planung und technische Mängel in der Ausrüstung der Armee,
verbunden mit maßloser Selbstüberschätzung führten zu einer militärischen
Katastrophe, die erst durch das Eingreifen der deutschen Wehrmacht wieder
wettgemacht werden konnte.
Mussolini wollte einen „Parallelkrieg“ mit eigenen Kriegszielen, aber dieses
Projekt war schon nach wenigen Monaten gescheitert und dadurch wurde die Bindung
an Deutschland noch enger. Die Teilnahme am Russlandfeldzug im
Jahr 1941 und die Kriegserklärung an die USA im gleichen Jahr besiegelten
die militärische Niederlage und damit auch das politische Schicksal des
„Duce“.
Die Absetzung Mussolinis und die "Republik von Salò"
Benito Mussolini wird von einer deutschen Fallschirmjäger-Gruppe aus seinem Gefangenenlager befreit
Foto:
Toni Schneiders
Als die Alliierten im Juli 1943 auf Sizilien landeten und daran gingen,
Italien vom Süden her einzunehmen, wurden die Kritiken an Mussolini, auch
innerhalb der faschistischen Partei, immer stärker. Am 25. Juli 1943 wurde
er vom "Großen Faschistischen Rat" abgesetzt, auf Befehl des italienischen
Königs Viktor Emanuel III. verhaftet und an wechselnden Orten interniert, um
eine eventuelle Befreiungsaktion zu erschweren. Am 8. September
1943, als die
militärische Lage Italiens inzwischen aussichtslos geworden war, wurde
schließlich der Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten
offiziell verkündigt.
Aber Hitler brauchte Mussolini noch. Nach dem Waffenstillstand besetzten die
deutschen Truppen Italien und deutsche Fallschirmjäger befreiten Mussolini
aus dem Gefangenenlager in den Abruzzen. Um die Lage wenigstens in
Norditalien zu stabilisieren und den deutschen Truppen die Verteidigung zu
erleichtern, wurde unter Mussolinis Führung in Norditalien die
Marionettenregierung der Repubblica Sociale Italiana installiert, auch "Republik von
Salò" genannt, als Gegenregierung gegen die in Rom. Aber die
Republik von Salò hatte eine äußerst beschränkte Autonomie und Mussolini
war, wie er selbst in jener Zeit häufig beklagte, zu einem Handlanger der
deutschen Besatzungstruppen degradiert worden.
1945: Das Ende eines Diktators
Die Zurschaustellung der Leiche von Mussolini (zweiter von links,
in der Mitte seine Geliebte Clara Petacci),
im April 1945 auf dem Piazzale Loreto in Mailand.
Ein Jahr vorher hatten die Faschisten am gleichen Platz die Leichen von
fünfzehn Zivilisten
zur Vergeltung von Partisanenangriffen in gleicher Weise aufgehängt
Foto:
Renzo Pistone
Im April 1945, als die militärische Lage für die deutsche Wehrmacht immer
hoffnungsloser wurde, versuchte Mussolini die Flucht in die Schweiz. Am
27.
April 1945 wurde er jedoch am Comer See von kommunistischen Partisanen
erkannt und gefangen genommen. Einen Tag später wurde er zusammen mit seiner
Geliebten Clara Petacci und 15 Begleitern, hauptsächlich Minister und
Funktionäre der "Italienischen Sozialrepublik", nach einer improvisierten Gerichtsverhandlung standrechtlich erschossen. Die Leichen von Mussolini,
seiner Geliebten und der übrigen Exekutierten wurden danach auf dem
Piazzale
Loreto in Mailand, wo zuvor Partisanen hingerichtet worden waren, kopfüber
aufgehängt und öffentlich zur Schau gestellt (siehe das Foto oben).
Verwandte Themen:
Hitler und Mussolini
Das dunkelste Kapitel der
deutsch-italienischen Beziehungen.
Italien im 1. Weltkrieg
Ein drei Jahre dauerndes, sinnloses Abschlachten von fast
einer Million Soldaten.