Reise nach Italien - Die Geschichte Italiens
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D'Annunzios Flug über Wien (1918)

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Gabriele D'Annunzio
Gabriele D'Annunzio in Militäruniform (1922)
Foto: 
Bibliothèque nationale de France

Wer war Gabriele D'Annunzio?

Gabriele D'Annunzio war einer der wichtigsten italienischen Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Stark beeeinflusst von der Philosophie Friedrich Nietzsches schrieb er zahlreiche Romane, Dramen und Gedichte, in denen die Sinneslust und die Idee des „Übermenschen“ im Vordergrund standen, wobei er die Empfindungen in wortgewaltiger Sprache zum Ausdruck brachte. D’Annunzios ästhetisierender Stil spiegelt sein extrentrisch-romantisches Wesen und seinen bewegten Lebenswandel wider.

D'Annunzio war auch politisch sehr aktiv. Im Jahre 1915 gehörte er, zusammen mit Mussolini, zu den lautstärksten Vertretern des italienischen Eintritts in den ersten Weltkrieg und es blieb auch nicht nur bei Worten: zwischen 1916 und 1920 war D'Annunzio der Protagonist mehrerer spektakulärer politischer Propagandaktionen. Eine davon war der Flug über Wien.

Der Flug über Wien

Das Flugzeug von D'Annunzio
Das Flugzeug von D'Annunzio, ausgestellt im "Vittoriale", der Villa von D'Annunzio am Gardasee
Foto:
Andreas Carter
Im Jahre 1918, kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges, vollführte Gabriele D'Annunzio eine seiner spektakulärsten Aktionen: Mit insgesamt 11 Flugzeugen (10 Einsitzer und 1 Zweisitzer, in dem D'Annunzio mitflog) startete er am 9. August um 5.50 Uhr vom Flugplatz San Pelagio in der Provinz Padua zu einem Propagandaflug nach Wien, zur Hauptstadt des Kriegsgegners Österreich. Drei der Flugzeuge mussten schon auf dem Hinflug, noch über italienischem Territorium, notlanden, ein viertes kurz vor Wien (der Pilot wurde von den Österreichern gefangen genommen), so dass schließlich noch 7 Flugzeuge über Wien ankamen, wo sie aus etwa 600-800 Meter Höhe 300.000 Flugblätter mit propagandistischem Inhalt abwarfen.

Das Oberkommando der italienischen Streitkräfte hatte diesen Flug nach anfänglichem Zögern gebilligt. Der Flug sollte einem rein "politischen und demonstrativen Zweck" dienen und zwar "die unangefochtene Macht" der italienischen Luftwaffe im Wiener Luftraum als "Symbol der angeborenen Energie der italienischen Rasse" zu demonstrieren.

Eins der beiden Flugblätter (beide mit den Farben der italienischen Fahne bedruckt), das in 50.000 Exemplaren abgeworfen wurde, war von D'Annunzio selbst geschrieben worden. Der Text war im typischen schwülstigen Propagandastil von D'Annunzio abgefasst, halb reißerisch, halb pathetisch, und endete mit dem Satz: „Das Drohen der Schwinge des jungen italienischen Adlers gleicht nicht der finsteren Bronze im morgendlichen Licht. Die unbekümmerte Kühnheit wirft über Sankt Stephan und den Graben das unwiderstehliche Wort ab: Viva l’Italia!" Dieses Flugblatt wurde auf italienisch, ohne deutsche Übersetzung, abgeworfen und die Wiener verstanden wohl herzlich wenig davon und wenn, dann hat es sie sicher kaum überzeugt.
Gabriele D'Annunzio
Das zweite abgeworfene Flugblatt (italienische Fassung)
Quelle: 
Private Archive of Burzagli Family
Das muss wohl in der Vorbereitung auch Ugo Ojetti, einem der Mitstreiter von D'Annunzio, klar gewesen sein, denn er schrieb noch ein zweites Flugblatt (mit deutscher Übersetzung), das in 250.000 Exemplaren abgeworfen wurde und das klarer und verständlicher war. Da hieß es:

"Wiener, lernt die Italiener kennen! Wenn wir wollten, könnten wir ganze Tonnen von Bomben auf Eure Stadt hinabwerfen, aber wir senden Euch nur einen Gruß der Trikolore! Wir Italiener führen keinen Krieg gegen Kinder, Frauen und Alte. Wir führen Krieg gegen eure Regierung, die ein Feind der Unabhängigkeit der Völker und nicht in der Lage ist, euch Brot und Frieden zu garantieren [...]" Der Text appellierte auch an die Intelligenz der Wiener und forderte sie auf, den Versprechungen der preußischen Generäle keinen Glauben mehr zu schenken.
Luftbild von Wien
Luftbild von Wien, aufgenommen von einem der Flugzeuge der D'Annunzio-Staffel. In der Mitte des Bildes sieht man deutlich die gerade abgeworfenenen Flugblätter. Rechts oben der Stephansdom.
Foto: 
Unbekannter Autor

Die Reaktionen in Wien und in Italien:

Der Anflug unbekannter Flugzeuge war zwar von zwei Flugzeugen der österreichischen Flugabwehr bemerkt worden, aber es war am Anfang nicht möglich, ihre Herkunft zu identifizieren und so wurden keine Gegenmaßnahmen ergriffen. Selbst in Wien hielten viele die damals noch sehr seltenen Flugzeuge zunächst für österrreichisch.

Erst bei der Rückkehr nach Italien eröffnete die Flugabwehr von Ljubljana das Feuer auf die Flugzeuge, allerdings ergebnislos. So landete die Staffel von D'Annunzio gegen 12.30 Uhr, nach 7 Stunden und ca. 1.000 km Flug, wieder am Ausgangspunkt San Pelagio.

Das Habsburgerreich stand zwar zu jenem Zeitpunkt (August 1918) kurz vor dem militärischen und politischen Zusammenbruch, aber Italien sah im Krieg gegen Österreich auch nicht gerade gut aus, standen doch die österreichischen Truppen im August noch weit vorgeschoben auf italienischem Territorium. Die militärisch unbedeutende und folgenlose, wenn auch zweifellos sehr mutige und perfekt inszenierte Propagandaaktion war für die hungernde Bevölkerung zwar spektakulär, aber doch wohl eher eine Randerscheinung der sich abzeichnenden Katastrophe.

In Italien dagegen hatte diese Aktion eine enorme Resonanz. D'Annunzio und die anderen sieben Piloten wurden überall begeistert gefeiert. Die Aktion war zwar für den Kriegsverlauf völlig bedeutungslos, wurde aber propagandistisch weidlich ausgeschlachtet. 1924 wurde D’Annunzio auf Vorschlag der faschistischen Regierung durch König Viktor Emanuel III. sogar geadelt.

Das Museum von San Pelagio:

Das Luft- und Raumfahrtmuseum von San Pelagio
Die nachgestellte Lagebesprechung von D'Annunzio und den anderen Piloten vor dem Flug nach Wien (Museum von San Pelagio)
Foto:
Threecharlie
In San Pelagio (Provinz Padua), von wo aus D'Annunzio und seine Mitstreiter zum Flug über Wien gestartet sind, befindet sich heute ein Museum für Luft- und Raumfahrt, das eine Abteilung dieser Propagandaaktion gewidmet hat.
Lesen Sie dazu: Das Museum der Luft- und Raumfahrt von San Pelagio

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