Giuseppe Verdi (1813-1901),
Portrait von Giovanni Boldini (1842–1931),
Nationalgalerie Moderner Kunst, Rom
Die musikalischen Lehrjahre:
Giuseppe Verdi wird am 10. Oktober 1813 in Roncole
di Busseto
in der Provinz Parma (damals Herzogtum Parma)
in einer einfachen Landarbeiterfamilie geboren; Die Mutter war Weberin, der
Vater Gastwirt. Schon als Kind zeigt er ein lebhaftes Interesse für Musik
und geht bei Pietro Baistrocchi in die Lehre, dem Organisten der Dorfkirche.
Ausgestatteti mt einem außerordentlichen Talent, hilft ihm anfangs ein
Freund der Familie, der Händler und Musikliebhaber
Antonio Barezzi, der es ihm gestattet, seine Studien zunächst beim
Leiter der örtlichen Musikkapelle und später in
Mailand fortzusetzen.
1832 zieht Verdi nach Mailand um, wird aber am Konservatorium nicht
angenommen. Zurück in Bussetto, komponiert er weiter und wird 1835
Musiklehrer. Im Jahr darauf heiratet er Margherita, die
Tochter seines Mäzens, mit der er zwei Kinder, Virginia und
Icilio haben wird. Obwohl der mailändische Musikgeschmack,
durch die österreichische Besatzung, mehr vom Wiener Repertoire beinflusst
ist, komponiert Verdi weiterhin hauptsächlich für das Theater und für die
Oper. Im Jahr 1838 führt er sein seine erste Oper Oberto Conte di San Bonifacio
("Oberto, Graf von San Bonifacio") in der
Mailänder Scala auf, die ihm einen Anfangserfolg einbringt.
Mit "Nabucco" kommt endlich der große Erfolg:
Der frühzeitige Tod seiner Frau und seiner Kinder erschüttert den
Komponisten. Er schreibt eine komische Oper Un giorno di regno
("König für einen Tag"),
die 1840 wiederum in Mailand uraufgeführt wird, sich aber
als ein totaler Misserfolg erweist. Verdi versteht, dass er für die diese
Art der Oper kein Talent hat und so werden alle seine weiteren 24 Opern, mit
Ausnahme der letzten (Falstaff), dramatische Opern, bei
denen die Liebe und historische oder soziale Themen im Mittelpunkt stehen.
Im Jahr 1842 kommt mit dem Sensationserfolg von Nabucco
endlich der große Durchbruch, einem Werk, dass in der Zeit der babylonischen
Gefangenschaft der Juden spielt. In der Mitte des 19. Jahrhundert, der Zeit
des Risorgimento, der italienischen Unabhängigkeitsbewegung, glauben viele
Italiener, in der Unterdrückung der Juden ihre eigene Situation
wiederzuerkennen. Der bekannte Chor dieser Oper Va pensiero,
sull'ali dorate ("Steig, Gedanke, auf goldenen Flügeln“) wird von
vielen als eine Art geheimer italienischer Nationalhymne angesehen, als
Ausdruck der Liebe für die Freiheit und für das Vaterland und als Protest
gegen Tyrannei und politische Willkür der österreichischen Besatzer.
Der Beginn des berühmten Chors
"Va pensiero" der
Oper Nabucco
Großen Anteil am Erfolg der Oper hat die Sopranistin Giuseppina
Strepponi, die in der Folgezeit seine neue Lebenspartnerin wird. Die darauf folgenden Jahre sind für Verdi äußerst arbeitsintensiv,
da er mit Aufträgen geradezu überhäuft wird. Zwischen
1842 und 1848 komponiert er eine Oper nach
der anderen: I Lombardi alla prima crociata ("Die Lombarden
auf dem ersten Kreuzzug"),
Ernani, I due foscari ("Die beiden Foscari"), Macbeth,
i Masnadieri ("Die Räuber"), und Luisa Miller. Nachdem er
im Jahre 1845 die Oper Giovanni d’Arco vollendet hat,
verlässt
Verdi Mailand und zieht nach Paris um.
In der französischen Hauptstadt hat er Gelegenheit, eine andere musikalische
Welt kennen zu lernen und im Jahr 1847 schreibt er I Lombardi alla prima crociata
("Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug") für den Geschmack des Pariser
Publikums um. Seine künstlerische Produktion
geht unablässig weiter, 1849 kehrt er mit seiner Gefährtin
Giuseppina in seine Heimatstadt
Busseto zurück, 1859 wird sie schließlich seine zweite Frau.
Ab 1851 lebt der Komponist in der Villa Sant’Agata in Villanova d’Arda,
die er selbst hat bauen lassen. Zwischen 1851
und 1853 komponiert er hier die so genannte "populaäre Trilogie"
Rigoletto, Il Trovatore ("Der Troubadour") und La
Traviata, später dann I Vespri siciliani ("Die
sizilianische Vesper").
Der Erfolg ist jedes Mal überwältigend. 1857 wird
Simon Boccanegra und 1859Un
ballo in maschera ("Ein Maskenball") uraufgeführt.
Die Villa von Giuseppe Verdi in Villanova d'Arda
foto:
Tiesse
Giuseppe Verdi - Abgeordneter und Senator des Königreichs Italien:
Nach der Einigung Italiens und der Gründung des Königreichs von
Italien (1861), wird er wegen seiner großen
Popularität zum Abgeordneten des
ersten italienischen Parlaments gewählt, später, im Jahre 1874
wird er sogar zum Senator ernannt. In den Jahren, in denen er politische
Ämter innehat, komponiert er La forza del destino ("Die
Macht des Schicksals"),
Don Carlos und schreibt Macbeth für den
Geschmack des französischen Publikums um. 1862 vertont er l’Inno delle Nazioni
("Hymne der Völker"), die
von dem italienischen Schriftsteller Arrigo Boito für die Expo in London
geschrieben worden war.
Die musikalische Produktion Verdis erreicht ihren Höhepunkt:
Aber Verdi hört nicht auf, sein Publikum zu überraschen: 1871
wird Aida uraufgeführt, eine Oper, die vom ägyptischen
Vicekönig Ismail Pascià für die Einweihung des Suezkanals
in Auftrag gegeben worden war. Mit
Aida führt er auch in Italien die grandiose Bühnengestaltung der
französischen Oper ein.
In seinen letzten Jahren beschäftigt sich Verdi auch mit Kirchenmusik:
1873
schreibt er aus Anlass des Todes von
Alessandro Manzoni die Messa da requiem, 1896
das Te Deum, und im Jahr
1897 folgen Stabat Mater und Laudi
alla Vergine.
In Mailand lässt er ein Altersheim speziell für Musiker bauen, das übrigens
noch heute existiert. Im Jahr 1887, als er schon fast 80
Jahre alt war, kompniert er Otello, bei dem er erneut auf
eine Vorlage von Shakespeare zurückgreift und schließlich, im Jahr 1893, sein letztes Werk: die komische
Oper Falstaff.
Giuseppe Verdi stirbt am 27. Januar 1901 in Mailand.
Die Menschenmenge, die seine Bahre begleitet, ist überwältigend und spiegelt
die enorme Popularität dieses musikalischen Genies wieder. Am 26. Februar
werden die Leichname von Verdi und seiner Frau in die Kapelle des von ihm
geschaffenen Altersheim überführt. Bei dieser Gelegenheit dirigiert der
große Orchesterleiter Arturo
Toscanini den berühmten Chor der Oper Nabucco, den Va
pensiero, mit 120 Instrumenten und etwa 900 Sängern.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dominiert neben Verdi noch ein
anderer Gigant der Opernmusik: Richard Wagner. Wenn man persönliche Aspekten
und Klatsch- und Tratschgeschichten beiseite lässt, repräsentieren die
beiden Komponisten zwei unterschiedliche Welten, was die musikalischen
Ideen, die Ausdruckskraft der Operninszenierungen, die dramaturgischen
Anlagen und die Beziehung zwischen Wort und Musik betrifft. Verdi zeigt in
seiner musikalischen Produktion mehr praktischen Sinn und interessiert sich
weniger für den philosophischen Bereich. Seine Opernfiguren haben nicht den
allegorischen und ideellen Gehalt wie die von Wagner, sie haben vielmehr
Bedeutungsgehalt auf sozialer Ebene. Wagners Theorie zielt darauf ab, eine
Fusion verschiedener künstlerischer Bereiche zu schaffen, das "totale
Opernkunstwerk", er hat mehr Bücher als musikalische Werke geschrieben.
Verdi ist dagegen ganz von seiner kompositiven Kraft dominiert und seiner
Leidenschaft, die den Treibstoff seiner Kreativität ausmacht. Verdi legt
mehr Wert auf den vokalen Aspekt,
für Wagner steht das Orchester im Vordergrund. Beide sind sich darüber im
Klaren, wie sehr sie im Mittelpunkt der internationalen Musikwelt stehen und
wissen, welche großen Erwartungen in sie gestellt werden. Dennoch hat der
Kontrast zwischen ihnen in der Musikwelt nie zu einer Überlegenheit des
einen über den anderen geführt, die unausgesprochene Achtung und der Respekt
zwischen den beiden steht außer Zweifel und beide gehören zum kulturellen
Erbe, das das 19. Jahrhundert uns hinterlassen hat.