Von 1363 bis 1918 gehörte Tirol zum Herrschaftsbereich der Habsburgermonarchie,
mit einer kurzen Unterbrechung während der napoleonischen Kriege. Bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts war die Bevölkerung von Nord-, Ost- und Südtirol
überwiegend deutscher Muttersprache, mit einer ladinischen Minderheit.
Das Trentino war dagegen eine sprachlich gemische Region, deutsch und
italienisch, mit einer ladinischen Minderheit.
Südtirol heute:
Staat: Italien
Geschichte: bis 1918 Teil von
Österreich
Offizieller deutscher Name: Autonome Provinz Bozen - Südtirol
Offizieller italienischer Name: Provincia autonoma di Bolzano – Alto Adige
Die geographische Verteilung der drei wichtigsten Sprachgruppen:
grün: deutschsprachige Mehrheit
rot: italienischsprachige Mehrheit
blau: ladinischsprachige Mehrheit
weiß (Meran): halb deutsch, halb italienisch
Anteil der Sprachgruppen in der Provinz:
deutscher Muttersprache: 62,2%
italienischer Muttersprache: 23,3%
ladinischer Muttersprache: 4,0%
andere Muttersprachen: 10,5%
Anteile von deutscher (schwarz) und italienischer (rot) Muttersprache:
Bozen (Bolzano):26% - 74%
Meran (Merano):50% - 49%
Brixen (Bressanone):73% - 26%
Bruneck (Brunico):82% - 15%
Schlanders (Silandro): 95% - 5%
Die Einwohner mit ladinischer
Muttersprache stellen in 8 von 116 Gemeinden die Mehrheit, sie befinden sich
in diesen Gebieten:
Grödnertal (Val Gardena)
Gadertal (Val Badia)
Vorbemerkung:
Um Missverständnissen vorzubeugen:
Wenn ich im Folgenden von "deutschen" oder "italienischen" Südtirolern spreche,
meine ich natürlich die Südtiroler deutscher oder italienischer Muttersprache.
Denn laut Pass sind alle Italiener.
Die ewigen Streitereien darüber, ob die Südtiroler in erster Linie Italiener,
Deutsche, Österreicher oder Tiroler sind, überlasse ich gern den Ideologen aller
Lager.
Warum lieben die deutschen
Südtiroler die italienischen nicht?
Bis 1919 gehörte Südtirol zu Österreich. Nach dem Ersten Weltkrieg musste
Italien, das zu den Siegermächten gehörte, territorial zufrieden gestellt werden
und bekam Südtirol von Österreich, das den Krieg verloren hatte.
Das Drama begann dann 1922, als Mussolini an die Macht kam. Südtirol wurde
gewaltsam "italienisiert". Italien vertrieb nicht nur die Deutschen aus allen
wichtigen Positionen der Verwaltung und des öffentlichen Lebens, auch die Natur
musste italienisch werden: der Name von jedem Wald, jedem Bach, jedem Berg und
jedem Dorf, jede geographische Bezeichnung wurde geändert.
Jegliche deutsche Tradition wurde unterdrückt, nichts sollte mehr an eine
nicht-italienische Vergangenheit erinnern. Es war eine harte Erniedrigung, die
viele deutsche Südtiroler bis heute noch nicht vergessen haben.
Warum lieben die italienischen
Südtiroler die deutschen nicht?
All das gehört nunmehr der Vergangenheit an. Heute ist die Region
Trentino-Südtirol eine Region mit Sonderstatus, der eine weitgehende Autonomie
und Finanzmittel garantiert, die weit über denen der anderen Regionen liegen.
Die Provinz Bozen ist "zweisprachig", jeder der für die Gemeinde, für die
Provinz oder für die Region arbeiten will, muss Deutsch und Italienisch können.
Nach der "Zeit der Bomben" in den 50er und 60er Jahren, in der die Extremisten
auf deutscher Seite Italien zum Rückzug aus der Region zwingen wollten, ist
wieder Frieden eingekehrt, auch aufgrund weitgehender finanzieller und
politischer Zugeständnisse des italienischen Staates an die Provinz Bozen.
Aber trotz alldem haben Deutsche und Italiener immer noch Schwierigkeiten mit
dem Zusammenleben. Heute sind es oft die Italiener, die sich beschweren, heute
sind sie es, die sich in gewisser Weise benachteiligt fühlen.
Die deutschen Südtiroler verhalten sich manchmal mit einer gewissen
Überheblichkeit, die wie eine Mischung aus Rache für das in der Vergangenheit
erlittene Unrecht und einem Gefühl der Überlegenheit erscheint, die in den
Italienern und in Italien nur die Eigenschaften erkennt, die man in den
banalsten Allgemeinplätzen wieder findet: die Italiener sind ineffizient, faul
und unzuverlässig.
Die deutschen Touristen werden von all dem kaum etwas mitbekommen. Aber auch
viele italienische Touristen fahren gern dorthin und werden gut behandelt,
schließlich bringen sie viel Geld in die Region und Südtirol lebt vor allem vom
Tourismus.
Aber ein Blick in die zwei Tageszeitungen der Region, "Dolomiten" (deutsch) und
"Alto Adige (italienisch), zeigt, dass die Spannungen zwischen den beiden
Volksgruppen keineswegs verschwunden sind. Es sind die Leute, die dort leben,
die die unangenehmen Aspekte der ungelösten "etnischen Problematik" stärker
erfahren. Die Touristen dagegen, Deutsche oder Italiener, kommen und gehen.
Ein Problem ohne Lösung?
Viele sehen in Südtirol eine Art von glücklicher Insel, ein "Teil von
Deutschland (oder von Österreich - je nach Geschmack) in Italien". Die Straßen
sind sauberer, die Verwaltung funktioniert besser, man fühlt sich dort fast wie
in Deutschland oder in Österreich. Aber im Hintergrund ist da immer noch jenes
ungelöste Problem des Zusammenlebens zwischen dem deutschen und dem
italienischen Bevölkerungsteil.
Es gibt zwei weit verbreitete Einstellungen, die die Situation sicher nicht
verbessern: auf der einen Seite ein Teil der "deutschen" Südtiroler, die sich konsequent weigern, die Italiener als
gleichwertige Mitbürger zu betrachten und auf der anderen Seite ein Teil der
"italienischen" Südtiroler, die sich in ihrem Stolz verletzt
fühlen und die als einziges Argument haben: "wir sind in Italien, ihr müsst
das zur Kenntnis nehmen und euch anpassen".
Und dann gibt es noch diejenigen, die alle Probleme leugnen, wahrscheinlich weil
ihrer Meinung nach die öffentliche Diskussion darüber den Tourismus stören könnte.
Diejenigen, die einen Weg "zwischen den Ethnien" suchen, haben Mühe, ihre Stimme
zur Geltung zu bringen. Aber weder die Arroganz auf der einen, noch der
verletzte Stolz auf der anderen - und schon gar nicht die Vogel-Strauß-Politik -
lösen die Probleme dieser wunderschönen Region Italiens!