
Ein Aceto Balsamico hat viele Gesichter und ist in Italien seit
Jahrhunderten ein fester Bestandteil der italienischen Küche. Von
abscheulich sauer bis himmlisch süß und intensiv – bereits die
Flaschenform kann den entscheidenden Hinweis geben.
Das schwarze Gold, so wird der Balsamico aus Modena
auch genannt, denn in seiner höchsten Qualitätsstufe erreicht ein
traditioneller Balsamico Preise von bis zu 1.000 EUR für nur 100 ml und
rangiert in einer Liga mit dem bekannten Trüffel, den exklusiven Weinen und
dem schottischen Whiskys. Aber natürlich gibt es auch in den unteren
Preisklassen wahre kulinarische Schätze.
Hier erfahren Sie mehr über die Unterschiede der verschiedenen Balsamico-Sorten, deren
Herstellungsweisen, sowie über kulinarische Reiseziele in der italienischen
Provinz Modena.
Nicht überall, wo Balsamico drauf steht, ist Balsamico drin:
So alt wie die Tradition der Balsamico-Herstellung auch ist der Schutz, die genaue Definition der Herstellung datiert gerade einmal in das Jahr 2009 zurück. Durch das rasante Wachstum der Nachfrage nach dem beliebten italienischen Essig, fiel auch die Qualität in den Keller. Schnell erkannten Produzenten auf der ganzen Welt, dass man einen dunkel aussehenden Essig einfach als Balsamico bezeichnen kann, um diesen gewinnbringend als italienisches Küchenschmankerl in die Regale der Supermärkte zu bekommen.
Die italienischen Essigbrauer und Winzer gründeten deshalb regionale Schutzverbände, welche Ihre Interessen am Weltmarkt behaupten sollten. So kam es, dass man auf dem Gebiet der Balsamici drei Produkte mit Ihrer Bezeichnung und dem Herstellungsverfahren europaweit schützen ließ.
Seitdem unterscheidet man zwischen:
- Condimento
- Aceto Balsamico di Modena I.G.P.
- Aceto Balsamico Tradizionale di Modena D.O.P.
- Aceto Balsamico di Reggio Emilia D.O.P.
"Condimento" – Sammelbezeichnung für Undefiniertes:
Die unter a als "Condimento" erfassten Produkte sind im Prinzip alle Produkte die nicht in die Kategorien
b, c und d fallen. Darunter fällt auch ein Fruchtbalsamico, weißer Balsamico oder Balsamico aus anderen Grundstoffen als Trauben, wie zum Beispiel aus Äpfeln oder Zuckerrüben oder anderen Obstarten.
"Condimento" steht einfach übersetzt für „Speisewürze“. Trägt eine Flasche die Aufschrift „Condimento“, sollten Sie die Zutatenliste genau lesen – denn alles, was nicht verboten ist, hier erlaubt.
Wie man die Qualität eines Aceto Balsamico erkennen kann:
Die mit dem Schutzsiegel
I.G.P. (Indicazione Geografica Protetta / geschützte geografische Angabe) unter der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena I.G.P.“ im Handel erhältlichen Produkte sind überwiegend industriell hergestellte Produkte für den täglichen Gebrauch. Bei einem Absatz von 97 Millionen Liter pro Jahr (
2017), von denen 90% aus Italien
stammen, haben Produkte mit dieser Bezeichnung einen straff durchgetakteten Produktionszyklus. Das Herstellungsverfahren, die Zutaten und der Herstellungsort sind fest vorgegeben und werden entsprechend kontrolliert.
Ein Aceto Balsamico di Modena IGP ist in aller Regel aus eingekochtem
Traubenmost und Weinessig. Finden Sie weitere Zutaten auf der Inhaltsangabe,
deutet dies auf eine mindere Qualität hin. Diese zwei Hauptzutaten,
Traubenmost und Weinessig, bestimmen im Wesentlichen die Qualität: je mehr
Traubenmost desto hochwertiger die Rezeptur. Je gereifter der
Traubenmostanteil, desto dickflüssiger wird der Balsamico. Es gibt nur
wenige dickflüssige IGP Essige auf dem Markt, einer der preiswertesten, die
das Prädikat „sirupartig“ erreichen ist der
Il Denso von Giusti, um die 20€ für 250ml.
Die Vorsitzende des
Schutzverbandes für IGP Balsamico,
Mariangela Grosoli, erklärte es mit Ihren Worten in einem Interview in der
Gazzetta di Modena (übersetzt): „Es sind Produkte, die sich gegenseitig
ergänzen, der IGP Balsamico, den man jeden Tag in der Küche verwenden kann
und die DOP Balsamici, um Geschenke zu machen.“
Traditioneller D.O.P. Balsamico - der Ferrari unter den Essigen:
Anders verhält es sich bei den Essigen mit dem gelb-roten
D.O.P. Siegel.
Diese tragen die Bezeichnung Aceto Balsamico Tradizionale di Modena D.O.P.
oder Aceto Balsamico Tradizionale di Reggio Emilia D.O.P. Finden Sie diese
Bezeichnung auf einer der dafür typischen Flaschen halten Sie ein
handwerkliches Meisterwerk in den Händen. Bei diesen Produkten entscheidet die
Kunst der traditionellen Herstellung eines Balsamicos sowie die Geduld bis
zum richtigen Moment der Abfüllung. Auch dieses Verfahren ist durch die
exakte Bezeichnung und das D.O.P. Siegel (Denominazione d’Origine Protetta -
geschützte Ursprungsbezeichnung) festgelegt und definiert einen
jahrhundertalten Produktionsprozess, welche mit unserer heutigen,
schnelllebigen Gesellschaft kaum in Einklang zu bringen ist. Denn ein Aceto
Balsamico Tradizionale di Modena DOP muss mindestens
12 Jahre lang in
verschiedenen, kleiner werdenden Holzfässern, verschiedener Hölzer, reifen,
eher dieser in die typischen 100 ml Flaschen abgefüllt werden darf. Vor der
Abfüllung muss ein solcher Balsamico noch eine sensorische Prüfung
durchlaufen, bei der jede Charge bepunktet wird und eine Mindestpunktzahl
erreicht werden muss.
Die typische Flaschenform des Aceto Balsamico Tradizionale di Modena
Die Flaschenform für einen Aceto Balsamico
Tradizionale di Modena ist unverwechselbar eine kleine dickbauchige Flasche,
einem Tropfen nachempfunden. Nur in diesen Flaschen darf ein Tradizionale
verkauft werden. Zudem bekommt jede Flasche eine eindeutige Seriennummer,
welche die Rückverfolgbarkeit gewährleisten soll.
Ein hoher Aufwand
zur Qualitätssicherung, der sich am Ende nicht nur im Geschmack, sondern
natürlich auch im Preis widerspiegelt.
Trotz der hohen Standards eines
italienischen D.O.P. Essig wie dem Tradizionale ist dieser Essigtyp ein
reines Naturprodukt. Natürliche Schwankungen durch die witterungsbedingen
Weinlesen und Traubenqualitäten können bei diesem Produkt variieren. Jede
Abfüllung ist vergleichbar mit einem Jahrgangswein. Es gibt Acetaien, so
nennt man die Höfe der Essigwinzer in Modena und Reggio Emilia, welche über
ausgezeichnete Weinhänge in bester Lage verfügen und kleinere Winzer, die
Ihre Trauben zur Verarbeitung in gemeinschaftliche Anlagen zur Verarbeitung
bringen.
Wie schmeckt ein traditioneller Balsamico?
Intensiv anhaltend und fruchtig süß im Geschmack mit einer leichten
unaufdringlichen Säure, bespielt mit intensiven Holz- und harmonischen
Weinnoten, so muss ein guter Tradizionale schmecken.
Eine Verkostung des
wertvollen Edelessigs, dem "Tradizionale", ist jedoch im hiesigen
Feinkosthandel so gut wie ausgeschlossen. Zum einen führen nur sehr wenige
Feinkosthändler diesen hochwertigen Balsamico, zum anderen steht dieser
meist verschlossen in den Vitrinen und dient als Vorzeigeobjekt für den
italienischen Hochgenuss. Es gibt nur wenige Händler, die eine umfangreiche
Auswahl an traditionellen Balsamici anbieten.
Bernardo Tesori, ein
Fachhandel der sich auf
Balsamico spezialisiert hat, führt regelmäßige,
bundesweite
Verkostungen durch, bei denen Sie die einmalige Gelegenheit
haben, sich durch zahlreiche Aceti Balsamici Tradizionali di Modena und di
Reggio Emilia zu kosten.
Reisetipp zur traditionellen Balsamico-Verkostung:
Die Vielfalt der Acetaien in der Region ist riesig. Um sich durch die
wertvollen Tradizionale zu verkosten, bietet sich eine Reise nach
Modena an.
Immer im September veranstalten die beiden zuständigen Konsortien für
traditionellen Balsamico zusammen mit ihren Mitgliedern den „Tag der offenen
Tür“. An diesem Tag - dem
Acetaie Aperte - öffnen zahlreiche Höfe
ihre Türen und laden Ihre Gäste, auch ganz spontan ohne Voranmeldung, zu
einer Verkostung ein.
Wer an anderen Tagen eine Acetaia besuchen möchte,
sollte sich vorher anmelden, einige Höfe werden nur für Gruppenführungen
geöffnet. Wer auf Nummer sicher gehen will, bucht über den Veranstalter
Modenatur eine der zahlreichen Balsamico-Führungen. Wer anschließend vom
schwarzen Gold gefesselt wurde, sollte unbedingt einen Abstecher in die Hauptstadt des traditionellen Balsamicos unternehmen – nach
Spilamberto. Diese Kleinstadt süd-östlich von Modena ist das Zentrum der traditionellen
Balsamico-Kunst. Das
örtliche Museum hat sich ganz und gar dem Balsamico
verschrieben und zeigt eindrucksvoll die Geschichte dieses kostbaren
Elixiers.
Aufgrund des hohen Preises werden Sie vor Ort in den
Restaurant kaum einen Tradizionale gereicht bekommen, zu kostbar und für die
meisten Leute nicht bezahlbar, heißt es aus der Gastronomie. Wenn Sie
dennoch ein Restaurant in Modena suchen, welche den traditionellen Balsamico
in seine Tageskarte einbaut, dann sollten Sie die
Osteria Francescana, mit
Reservierung, besuchen. Dort kocht Starkoch
Massimo Bottura seine
meisterhaften Kreationen. Nicht ohne Grund, wurde dieses Restaurant mehrfach
zum weltbesten Restaurant auserwählt.
Text:
Uwe Tippermann
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