Die Einigung Italiens erfolgte ungefähr zur gleichen Zeit wie die
Deutschlands. Die Art und Weise wie das geschah, war allerdings sehr verschieden.
Die Etappen der italienischen Einheit:
Im Jahr 1850 sah die
politische Landkarte Italiens ungefähr so aus:
orange: das Königreich Sardinien/Piemont, der einzige Teil
Italiens, der wirklich unabhängig war
blau: Gebiete unter österreichischer Herrschaft
grün: die Herzogtümer Toskana, Modena und Parma, offiziell eigenständig, aber
stark abhängig von Österreich
rot: der Kirchenstaat, unterstüzt und militärisch abhängig von Frankreich
gelb: das "Königreich der zwei Sizilien" unter der Herrschaft eines Bourbonenkönigs
Außer dem Königreich Sardinien/Piemont und natürlich der 1850 schon in ganz Italien verbreiteten Nationalbewegung,
die hauptsächlich aus Bürgern, Handwerkern und Intellektuellen bestand, waren alle anderen
wichtigen politischen Akteure in Italien gegen die Einheit des Landes. Das gleiche galt
für die ausländischen Mächte, die Interessen in Italien hatten. Wenn diese,
wie z.B. Frankreich, die Nationalbewegung in bestimmten Momenten
unterstützten, dann nur aus taktischen, machtpolitischen Überlegungen
heraus.
Was war das "Risorgimento"?
Zwei der Protagonisten des Risorgimento: links: Giuseppe Mazzini (1805-1872) rechts: Camillo Benso von Cavour (1810-1861)
Fotos:
Domenico Lama /
Ludovico Tuminello
Zwei der Protagonisten des Risorgimento: oben: Giuseppe Mazzini (1805-1872) unten: Camillo Benso von Cavour (1810-1861)
Fotos:
Domenico Lama /
Ludovico Tuminello
Die Bewegung für Freiheit und nationale Unabhängigkeit, die heute
"Risorgimento" genannt wird, ist um 1815 entstanden, einer der wichtigsten
Protagonisten war von Anfang an Giuseppe Mazzini, der ein
einiges, republikanisches und demokratisches Italien wollte. Seine 1830
gegründete Bewegung "Giovine Italia" (Junges Italien), die in den
revolutionären Aufständen des Jahres 1848 zur "Associazione Nazionale
Italiana" wurde, hatte einen enormen Einfluss vor allem auf die
Intellektuellen Italiens, die sich schnell für die Idee der Einheit
begeisterten. Mazzini und seine Anhänger stellten den radikalsten Flügel des
"Risorgimento" dar, für sie war das Volk der wichtigste Protagonist der
ersehnten italienischen Einheit. Sie wollten in Italien weder Papst noch König,
die soziale Frage war für sie sehr wichtig.
Dem gegenüber stand die konservative politische Führung des Königreichs
Sardinien/Piemont, dessen König Viktor Emanuel II und vor
allem GrafCamillo Benso von Cavour, seit 1852
Ministerpräsident von Piemont. Cavour wurde zu einem der Motoren der italienischen Einheit - einer
"Einheit von oben" allerdings, die eigentlich eher eine Ausdehnung des
Königreichs Piemont auf das restliche Italien beabsichtigte. Cavour setzte alle politischen, diplomatischen und militärischen
Mittel ein, um Österreich aus Italien zu vertreiben und die anderen Staaten
Italiens entweder friedlich oder mit militärischer Gewalt in die Einheit zu
zwingen.
Zwischen diesen beiden Polen des "Risorgimento", personifiziert durch
Mazziniund
Cavour, gab es ständig Spannungen und Konflikte, die sogar bis zu
militärischen Auseinandersetzungen führten. Zur
Einheit Italiens waren jedoch beide notwendig, obwohl das taktische Geschick Cavours
letztendlich die Oberhand
behielt.
Italien 1860:
Ein erster, wenn auch nur halber Erfolg der Politik Cavours war der
Krieg gegen Österreich (1859), bei dem er
Frankreich als Alliierten hatte.
Frankreich war an einer Schwächung Österreichs in Italien interessiert,
allerdings sollte dabei Piemont nicht zu stark werden. Deshalb schloss
Napoleon III. nach einigen militärischen Erfolgen überraschend einen
Friedensvertrag mit Österreich und Cavour, der sich viel mehr von diesem
Krieg erhofft hatte und empört über diesen unerwarteten Schachzug
Frankreichs war, musste sich mit dem Gewinn der Lombardei und der
toskanischen Herzogtümer zufrieden geben. Dafür musste Piemont allerdings
einige Gebiete im Westen (Nizza und Savoyen) an Frankreich abtreten.
Die neue politische Situation Italiens ist auf der Karte
Italien 1860 dargestellt:
orange: das Königreich
Sardinien/Piemont, das schon andere Teile Nord- und Mittelitaliens
erobert hat
blau: Gebiete unter österreichischer Herrschaft
rot: der Kirchenstaat, unterstüzt und militärisch abhängig von Frankreich
gelb: das "Königreich der zwei Sizilien" unter der Herrschaft eines Bourbonenkönigs
Die bekannteste Persönlichkeit des "Risorgimento" war allerdings
Giuseppe
Garibaldi, der schon sehr jung von den Ideen Mazzinis begeistert war.
Garibaldi war Republikaner und sah deshalb die Expansionspolitik des
Königreichs Sardinien/Piemont mit gemischten Gefühlen, entschloss sich aber aus pragmatischen Gründen zu dessen Unterstützung.
Im Mai 1860, als der Einigungsprozess scheinbar zum Stillstand gekommen
war, brach Garibaldi mit etwa 1000 Freiwilligen, die voller Enthusiasmus, aber mehr
schlecht als recht bewaffnet und ausgerüstet waren, zu einer tollkühnen
Aktion auf, die ihn in die Annalen der Geschichte eingehen lassen sollte:
Ohne Abstimmung mit den politischen Autoritäten Piemonts schiffte er mit seiner Privatarmee in Genua ein, um in Sizilien zu landen und von dort Schritt für Schritt Italien von unten nach oben zu erobern;
in der Hoffnung, dass die Bevölkerung des Südens ihn bei diesem gewagten Feldzug unterstützen würde. Die Rechnung ging auf: in wenigen Monaten erreichte er nach mehreren Schlachten Neapel, die Hauptstadt des süditalienischen bourbonischen Königreichs.
Die Schlacht am Fluss Volturno (1860), in der Nähe von Neapel, bei der das
Freiwilligenheer von Garibaldi den bourbonischen Truppen eine entscheidende
Niederlage bereitete.
Quelle:
Fresko im Turm von San Martino della Battaglia
Viktor Emanuel II., der König von Sardinien/Piemont, und die anderen
gemäßigteren Protagonisten der italienischen Einigung befürchteten nun einen Alleingang Garibaldis und die Ausrufung einer süditalienischen Republik. Als Garibaldi dann zum Feldzug nach Rom aufbrach,
schickten sie eine eigene Armee nach Süden, um den Rebellen zu bremsen.
Aber schließlich gab Garibaldi klein bei und am 26. Oktober 1860 fand in der Nähe von Neapel das legendäre Treffen
zwischen ihm und dem König Viktor Emanuel II. statt, bei dem er den piemontesischen
Monarchen als „König von Italien“ begrüßte.
Die politische Situation Italiens nach dem Feldzug Garibaldis ist auf der Karte
Italien 1861 (unten) dargestellt:
orange: das Königreich
Sardinien/Piemont, das schon fast ganz Italien unter seine Herrschaft
gebracht hat
blau: Gebiete unter österreichischer Herrschaft
rot: der Kirchenstaat, unterstüzt und militärisch abhängig von Frankreich
1861-1871: Die Einheit Italiens wird ausgebaut:
Die Einnahme Roms durch die italienischen Truppen (September 1870)
Gemälde von
Carlo Ademollo
Nach der Ausrufung des "Königreichs von Italien"
im Jahr 1861 wurde zunächst Turin, die ex-Hauptstadt des Königreichs Piemont/Sardinien, die
Hauptstadt Italiens - Rom war dagegen die Hauptstadt des immer noch existierenden
Kirchenstaats. Das war selbstverständlich vielen Patrioten ein Dorn im Auge, ebenso
die Tatsache, dass Nordostitalien (die zwei heutigen Regionen Venetien und
Friaul Julisch-Venetien) immer noch von Österreich besetzt war.
Die Gelegenheit zur Angliederung Nordostitaliens bot sich 1866, als sich das
junge Königreich Italien dem Krieg Preußens gegen Österreich anschloss. Die
vernichtende Niederlage Österreichs gegen Preußen brachte Italien den
erhofften Zugewinn. Auch die Eroberung des Kirchenstaats war zumindestens
indirekt den militärischen Erfolgen Preußen zu verdanken: Die militärische
Hauptstütze des Kirchenstaats war Frankreich, das dem Papst schon häufiger
aus der Patsche geholfen hatte. Der Sieg Preußens im Krieg gegen Frankreich
(1870) ermutigte die Italiener zu einem erneuten Angriff auf Rom, das
schließlich im September 1870 erobert wurde: Rom wurde endlich die
Hauptstadt des Königreichs Italiens.
Der beleidigte Papst Pius IX., dessen weltliche Herrschaft damit zu Ende
war, sah sich bis zu seinem Tod 1878 als „Gefangener Italiens“ und verbot,
als Rache,
den italienischen Katholiken jede Teilnahme am politischen Leben des neuen
Königreichs.
Das neue Königreich Italien, in dem das ehemalige Königreich Sardinien/Piemont
allerdings eindeutig die Hauptrolle spielte, ist auf der Karte
Italien 1871 dargestellt:
Nach 150 Jahren: Italien ist vereint - fast:
Ein großes Problem war damit gelöst - und neue waren entstanden. Dass viele
der Probleme, die schon damals, bei der Gründung Italiens, unübersehbar
waren, auch heute noch, nach 150 Jahren, auf eine Lösung warten, ist klar
erkennbar. Aber das ist ein anderes Kapitel.
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