Dante Alighieri (1265-1321), Portait von Sandro Botticelli, ca.
1495
Quelle:
Wikimedia Commons
"Nel mezzo del cammin di nostra vita mi ritrovai per una selva oscura,
ché la diritta via era smarrita."
"Auf halbem Wege unseres Menschenlebens fand ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
weil ich vom rechten Weg mich abgewandt."
Es gibt wohl kaum einen Italiener mit abgeschlossener Schulbildung, der
diesen ersten Vers der "Divina Commedia" (Göttliche Komödie), des
Hauptwerkes von Dante, nicht kennt. Nicht nur, weil Dante zum
Standardprogramm der italienischen Schulen gehört, sondern wahrscheinlich
auch, weil er in schönen poetischen Worten an die weniger poetische
Verwirrung und Orientierungslosigkeit der
"Midlife-Crisis" erinnert, die wohl jeder mal durchmacht. Aber
wenige wissen noch, wie die Göttliche Komödie dann weitergeht, und darin teilt dieses
Werk Dantes das Schicksal von Goethes "Faust", den alle in Deutschland - dem
Namen nach - kennen, den aber nur wenige ganz gelesen haben.
Beide - Goethes "Faust" und Dantes "Göttliche Komödie" - sind allerdings, zugegebenermaßen, nicht gerade leicht verdauliche Literatur.
Beide schöpfen ausgiebig und souverän aus der Theologie, der Philosophie und den Wissenschaften der jeweiligen Zeit. Ohne ausführliche,
begleitende Kommentare ist das Monumentalwerk Dantes (mit über 14.000
Versen) nur schwer zu verstehen und die Tatsache, dass es in Reimen und in einer gewählten und
nicht mehr sehr modernen
Sprache abgefasst ist, vereinfacht die Sache auch nicht.
Aber die Göttliche Komödie ist nicht nur wegen ihrer literarischen Qualität
berühmt, sie stellt auch einen wertvollen Spiegel der damaligen Zeit dar und hat einen entscheidenden Beitrag zur Ausformung der
italienischen Sprache geleistet. Aus diesem letztgenannten Grund hat sie für das Italienische eine
ähnliche Bedeutung wie Luthers Bibelübersetzung für das Deutsche.
Dantes (angebliches) Geburtshaus in Florenz, heute ein
Museum
Foto:
Sailko
Dantes Leben:
Über das Leben Dantes wissen wir heute ziemlich viel, es gibt allerdings nur wenige direkte Quellen, das meiste, was
vom ihm bekannt ist, hat man aus anderen Quellen abgeleitet, vieles auch aus den
Werken des Dichters selbst. Nicht einmal wie er aussah, wissen wir: alle
Portraits von ihm wurden gemalt, als er schon lange tot war, von Künstlern,
die ihn nie gesehen hatten. Deshalb ist auch seine etwas krumme Nase, die
man auf allen Dante-Portraits sieht, möglicherweise nur eine Erfindung eines
Malers, den dann alle anderen kopiert haben.
Dante ist Ende Mai oder Anfang Juni 1265 in Florenz geboren, wo man heute auch
sein Geburtshaus (siehe Foto oben) besichtigen kann - genauer gesagt: sein vermutetes Geburtshaus. Seine Familie gehörte dem reichen Stadtadel an, was
die politische Karriere von Dante bestimmte und förderte. Die oft blutigen
Auseinandersetzungen zwischen Ghibellinen und Guelfen (zwischen den Parteigängern des Kaisers und denen des Papstes), die damals die
italienischen Stadtrepubliken zerrissen, sollte auch für das Leben Dantes
von entscheidender Bedeutung sein.
Während der Zeit von Dantes politischen
Ämtern wurden die Ereignisse in Florenz immer turbulenter und Ghibellinen
und Guelfen zersplitterten sich immer mehr in viele miteinander verfeindete
Fraktionen. Aus Anlass des Besuches eines päpstlichen Legaten kam es im
Sommer 1300 in Florenz zu Unruhen, die der Stadt anschließend den
Kirchenbann einbrachten. Um die päpstliche Hoheit über Florenz herzustellen
und die Toskana ein für allemal dem
Kirchenstaat einzuverleiben, rief Papst
Nikolaus IV Karl von Valois um militärische Hilfe an. Am 1. November 1301
zog Karl in Florenz ein und während der Racheakte der papsttreuen Truppen
wurde wahrscheinlich auch Dantes Haus zerstört. Wenig später, im Januar
1302, wurde Dante in Abwesenheit zu einer Geldstrafe und zum Ausschluss von
allen öffentlichen Ämtern verurteilt. Da er sich von Florenz fernhielt, wurde
er dann gemeinsam mit anderen Parteigängern für den Fall seiner Rückkehr in
die Stadt zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1321 in Ravenna lebte Dante daraufhin im Exil, er hielt sich
dabei in vielen Städten Mittel- und Oberitaliens auf, mit großer
Wahrscheinlichkeit am Hof der Scala in Verona, in Treviso bei Gerardo da
Camina und ab 1318 in Ravenna bei Guido Novello da Polenta. Es gibt nur sehr
wenige direkte Quellen für die Aufenthaltsorte von Dante in jener Zeit, so
dass heute zahlreiche Städte und Kleinstädte Italiens mit mehr oder weniger
plausiblen Erklärungen darauf pochen, wenigstens einmal von Dante besucht
worden zu sein.
Die Hoffnungen Dantes, dass der im Jahr 1309 zum römisch-deutschen König und
drei Jahre später in Rom zum Kaiser gekrönte Heinrich III die verfeindeten
Parteien in Italien befrieden und so seine Rückkehr nach Florenz möglich
machen könnte, erfüllten sich nicht. 1315 lehnte Dante ein Angebot zur
Rückkehr nach Florenz ab, da es an die Zahlung einer Geldbuße und an eine
öffentliche Abbitte gebunden war, woraufhin das Todesurteil von 1302 gegen
ihn erneuert wurde. Während eines Aufenthalts in Venedig im Jahr
1321
erkrankte er und nach seiner Rückkehr nach Ravenna starb er dort am
14. September
des gleichen Jahres.
links: das Grab Dantes in Ravenna rechts: das (leere) Grabmal Dantes in der Kirche Santa Croce in
Florenz
Foto: Husky
/
Gryffindor
oben: das Grab Dantes in Ravenna unten: das (leere) Grabmal Dantes in der Kirche Santa Croce in
Florenz
Foto: Husky
/ Gryffindor
In den Jahrhunderten nach Dantes Tod gab es mehrere Male heftigen Streit
zwischen Ravenna, wo er begraben ist (siehe Foto oben) und Florenz,
das glaubte, der Dichter wäre richtigerweise in der Kirche Santa Croce in
Florenz beizusetzen. Dort hatte man ein monumentales Grabmal errichtet
(siehe das zweite Foto oben), das aber bis heute leer blieb, da Ravenna
verständlicherweise keine Absicht hat, sich den berühmten Leichnam nehmen zu
lassen. Selbst im Dante-Jahr 2021, 700 Jahre nach dem Todes des berühmten Dichters, ist
diese Rivalität noch zu spüren, nicht mehr heftig wie früher, sondern eher
unterschwellig. Die Feiern zum Jahrestag sind ja schließlich auch ein
Touristenmagnet.
Die "Göttliche Komödie":
Dante und Vergil auf der Fahrt durch die Hölle, eine Illustration der
Göttlichen Komödie
(Gemälde
von Eugène Delacroix, 1822)
Foto:
The Yorck Project
Dantes "Divina Commedia", die zwischen 1307
und 1321 entstand, ist die erste große Dichtung der italienischen Sprache und gilt
bis heute als ihr Hauptwerk. Eigentlich heißt das Versepos nur "Komödie",
das Adjektiv "göttlich" wurde später vom Dante-Verehrer Giovanni
Boccaccio
hinzugefügt. Nicht, weil das Werk von Gott handelt, sondern weil er es
einfach herrlich, mehr noch, "göttlich" fand. Das Wort "Komödie" sollte man
übrigens nicht im heutigen Sinn von "Lustspiel" verstehen, sondern einfach
als Gegenteil von "Tragödie", d.h. eine literarische Erfindung, die nicht
mit Mord und Totschlag endet, sondern mit einem Happy-End: der Ich-Erzähler Dante findet am Ende nämlich
nichts weniger als den Sinn des Lebens.
Bis er da ankommt, muss er allerdings eine abenteuerliche Reise durchs
Jenseits unternehmen. Begleitet vom römischen Dichter Vergil, der ihm
als Reiseführer dient, gelangt Dante zunächst in die Hölle (Inferno), dann
über den Läuterungsberg (Purgatorio) und
schließlich zum Paradies (Paradiso), zum Höhenflug mit der geliebten Jugendfreundin Beatrice. Auf dem
Wege dahin begegnen ihm Hunderte von berühmten, auf Erlösung wartende Persönlichkeiten aus Politik, Literatur und
Mythologie, mit denen er sich unterhält und die dem Reisenden aus ihrem Leben
erzählen. Die Hölle und das Paradies sind jeweils in neun
konzentrische Kreise unterteilt. Je näher man den engeren Kreisen kommt,
umso sündiger (in der Hölle), bzw. umso heiliger (im Paradies) sind die
verstorbenen Seelen. Besonders die Hölle, der
interessanteste Teil der literarischen Jenseitsfahrt, ist reich an Zeitkritik,
die gelegentlich auch recht scharf ausfällt und voll ist von Anspielungen
auf zur Dantezeit noch lebende Berühmtheiten. Die "Göttliche Komödie" hat
einen hohen ethischen Anspruch und hält dem Leser, der politischen
Gesellschaft und selbst der Kirche seiner Zeit einen unbarmherzigen Spiegel vor. Am Ende
seiner Reise, im Paradies, erkennt der Dichter schließlich in der Liebe
Gottes den Sinn seiner Existenz.
20 Jahre lang hat Dante an diesem Werk
gearbeitet. Er wollte damit Vergil, den Dichter der Antike, übertreffen und
ein Bild von der Welt als Ganzer darbieten.
Wie schon oben angedeutet, sollte man heute dieses Werk nicht ohne einen
ausführlichen Kommentarteil lesen, sonst entgeht dem Leser des 21.
Jahrhunderts das meiste von dem, was für den gebildeten Leser des 14. Jahrhunderts
auch ohne Kommentar durchaus verständlich war. Und auch ein paar Kenntnisse der Geschichte der
Dantezeit helfen sicher, die "Göttliche Komödie" heute in ihrer
ganzen literarischen Tragweite zu verstehen.
Die zwei Städte im Streit um das Erbe von Dante...
Ravenna
Selbst in Konstantinopel findet man nicht so viele prächtige Mosaiken wie
hier.