Der Gargano ist eine Halbinsel im Norden der Region Apulien, die etwa 65 km
weit ins Adriatische Meer hineinragt. Da die Form Italiens einem Stiefel
gleicht, wird der Gargano oft als "Sporn" des Stiefels bezeichnet.
Sowohl die Küste als auch das waldreiche Innere gehören zu den
landschaftlich reizvollsten Gegenden Italiens. Große Teile der Halbinsel
gehören zum Nationalpark Gargano.
Das Gebirge im Zentrum (Monte
Gargano) steigt vom Osten und vom Norden bis auf eine Höhe von 1055 Metern an und fällt im
Süden und Westen schroff ab. Der dichte schattige Mischwald im Innern der
Halbinsel (Foresta Umbra), ungewöhnlich für Süditalien, ist ein beliebtes
Erholungsgebiet, das reich an Flora und Fauna ist. Besonders attraktiv für
die italienischen und ausländischen Urlauber sind die pittoresken, lebhaften
Fischerorte Rodi Garganico,
Peschici und Vieste und die umliegenden
malerischen Badebuchten mit oft schroffen und bizzarren Felsformationen. Zwischen Mitte Juli und Ende August platzen diese Orte aus allen
Nähten, die Vor- und Nachsaison (Anfang Juni bis Mitte Juli und September) sind für einen Besuch wesentlich geigneter.
Die beiden großen
Mischwasserseen an der Nordküste, der Lago di Varáno und der
Lago di Lesina,
sind ein Paradies für Zugvögel, zum Baden sind sie aber wenig geeignet.
Ein weiterer Anziehungspunkt sind die zwei Wallfahrtsorte
Monte Sant'Angelo
und vor allem San Giovanni Rotondo, wo jährlich Millionen von Pilgern zusammen kommen.
Unterkünfte auf der Halbinsel Gargano, Flüge und Mietwagen:
Dieser hübsche, auf einem Hügel über dem Meer liegende Küstenort (3.800
Einwohner) ist der Haupthafen für die Fähren, die den Gargano mit den
nordwestlich gelegenen Tremiti-Inseln verbinden (Fahrzeit
ca. 1,5 Stunden). Zu beiden Seiten der Stadt erstrecken sich schöne, lange
Sandstrände. Der Hauptplatz Piazza Rovelli ist im Sommer
allabendlich ein lebhaftes Flanierzentrum der Touristen, abseits davon
kann man viele schöne romantische Ecken entdecken. Für den Tourismus ist
Rodi Garganico weniger wichtig als die weiter östlich liegenden Städtchen
Peschici und Vieste, was aber den Vorteil hat, dass die Preise hier im
Schnitt etwas niedriger sind.
Das Städtchen Peschici (4.400 Einwohner), pittoresk auf einem Felsen 90
Meter über dem Meer gelegen, ist in den letzten Jahren zu einem
Touristenmagneten geworden. Die eng verschachtelten Treppengassen der
Altstadt mit ihren die weiß getünchten Häusern und den zahlreichen
Kuppeldächern geben dem Ort ein etwas orientalisches Aussehen. An der
äußersten Spitze der Landzunge stehen die Reste eines ehemaligen Kastells.
Von hier aus hat man einen herrlichen Panoramablick auf die umliegende
Küstenlandschaft. Die Altstadt von Peschici ist voll von Boutiquen, die
örtliches Kunsthandwerk aus Holz, Keramik und Leder sowie Souveniers
jeglicher Art anbieten. In der Umgebung liegen in Felsvorsprüngen
eingebettete, einladende Sandbuchten. Der Küstenstreifen zwischen Rodi
Garganico und Peschici ist auch eines der beliebtesten CampinggebieteItaliens.
3 - Vieste:
Der Strand von Vieste mit dem charakteristischen Felsen
"Pizzomunno", dem 20 Meter hohen Wahrzeichen der Stadt.
Foto:
Bultro
Vieste (14.000 Einwohner) ist die größte Stadt und zweifellos
das
touristische Zentrum des Gargano. Flankiert auf beiden Seiten von
Sandstränden erstreckt sich der Ort malerisch auf zwei ins Meer
hinausragenden Felsarmen. Der Altstadtkern (auf dem südlichen Felsarm)
besteht, ähnlich wie Peschici, aus einem Auf und Ab von engen Gässchen, mit
Treppen, Torbögen und weißgetünchten Häusern und endet abrupt mit einer ins
Meer abfallanden steilen Felswand, wo es mehrere schöne Aussichtspunkte
gibt, die sehenswerte Panoramen der Altstadt und der umliegenden Küste
bieten. Zu sehen gibt es in Vieste, abgesehen von der Altstadt, die
Kathedrale Santa Maria Oreta aus dem 11. Jahrhundert, die an ihrem barocken
Kirchturm weithin erkennbar ist und das Staufer-Castello am höchsten Punkt
der Altstadt.
Am Südstrand ragt derPizzomunno (siehe das Foto oben), ein bizzarer, 20
Meter hoher Felsen, steil in die Höhe. Er ist das Symbol der Stadt. Eine sehr
schöne palmenbestandene Uferpromenade lädt Abends zum Flanieren ein. Nicht
versäumen sollte man einen Bootsausflug zu den umliegenden Meeresgrotten und
zu den
idyllischen Badebuchten, der von vielen Tourismusagenturen der Stadt
angeboten wird.
Eine der bizarren Felsformationen in der Nähe von Vieste
Foto:
LucaLuca
Monte Sant'Angelo (12.800 Einwohner, 15 km nördlich von Manfredonia) ist
einer der beiden Wallfahrtsorte im Gargano, der andere ist San Giovanni
Rotondo (siehe unten). Aber auch für die, die nicht an die Wunder glauben,
die hier geschehen sein sollen, ist der Ort einen Besuch wert. Schon die
Serpentinenfahrt zur auf 798 m Höhe gelegenen Stadt ist ein Erlebnis.
Interessant - und überraschend - sind die spitzgiebligen Reihenhäuser im
Stadtviertel Rione Junno an der südlichen Hangseite, die es
so in keiner anderen italienischen Stadt gibt. Am höchsten Punkt der
Oberstadt steht das stattliche Castello, das
Normannenschloss, von dem aus man einen großartigen Panoramablick genießen
kann.
Die Hauptattraktion des Ortes ist aber das Grottenheiligtum
Santuario di San Michele. Im 5. Jahrhundert soll der
Erzengel Michael mehrere Male auf dem Gargano erschienen sein und
soll, nach einer Legende, dem amaligen Bischof den Auftrag gegeben haben,
aus dieser Grotte eine Engelskultstätte zu machen. In den nachfolgenden
Jahrhunderten wuchs um die Grotte herum die Stadt, auch um dem ständig
wachsenden Pilgerstrom Unterkunft zu bieten. Im Mittelalter entwickelte sich
die Grotte zu einem der meistbesuchten Wallfahrtsort des Mittelmeerraums,
der auch heute noch Scharen von Pilgern anzieht, für die täglich in der
Grotte mehrere Messen gehalten werden. In der Grotte gibt es auch
eine Marmorstatue Michaels, hinter der aus einer Öffnung Wasser austritt, das
Wunder wirken soll.
Der massive Souvenier- und Devotionalienrummel, der sich rund um die Grotte
entwickelt hat, kann leicht auf die Nerven gehen, besonders zu den
Patronatsfesten am 8. Mai und am 29. September, wenn die Stadt total
überfüllt ist. Monte Sant'Angelo ist dennoch einen Besuch wert, schon allein durch
seine phantastische Lage.
Früher einmal war ganz Apulien mit Wäldern bedeckt. Aber Griechen,
Römer, Staufer und alle nachfolgenden Herrscher brauchten Holz für den Bau
von Kriegs- und Handelsschiffen. Und so wurde die Region praktisch ganz
abgeholzt, ein Schicksal, das Apulien auch mit anderen Regionen Italiens
teilt. Der Foresta Umbra ("Schattiger Wald"), der mit einer Fläche von 11.000
ha das Zentrum Halbinsel Gargano bedeckt ist der letzte Rest von der
ehemaligen Pracht. Dieser
Mischwald von Kiefern, Buchen, Eichen, Ulmen, Linden und Kastanien, der für
das heutige Süditalien untypisch ist, ist ein wahres Naturparadies
und stellt ein beliebtes Ausflugsgebiet für die Bewohner der umliegenden
Städte dar.
Der Foresta Umbra ist Teil des Nationalparks Gargano, die Besucher müssen
deshalb einige Regeln beachten. Ausgangspunkt für Wanderer, Radfahrer und
Mountainbiker ist das Centro Visitatori (Besucherzentrum)
wo es auch ein naturkundliches Museum mit vielen Informationen über Flora
und Fauna des Gebiets gibt. Gegen eine geringe Gebühr kann man da eine
Wanderkarte erwerben oder auch Fahrräder ausleihen. Wanderer und Radfahrer
dürfen die markierten Wege nicht verlassen, das Picknicken ist nur auf dafür
ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Da es auf dem Gebiet der Foresta Umbra keine
Trinkwasserquelle gibt, sollte man in jedem Fall ausreichende
Wasservorräte mitnehmen.
6 - San Giovanni Rotondo:
Der Wallfahrtsort San Giovanni Rotondo
mit der Kirche Santa Maria delle Grazie (in der Mitte) und der modernen
Wallfahrtsbasilika San Pio da Pietrelcina (rechts)
Foto:
Nikzia
Wenn die Zahl der Pilger in Monte Sant'Angelo jährlich einige Hunderttausend
beträgt, so muss man in San Giovanni Rotondo, so unglaublich es klingt, von
ca. 6 Millionen Pilgern pro Jahr ausgehen, was die Stadt zum drittmeist
besuchten Wallfahrtsort der Welt macht (nach dem mexikanischen Guadalupe und
dem Petersdom in Rom).
Die Stadt selbst (ca. 27.000 Einwohner) bietet dem Besucher wenig
Interessantes und der gesamte ununterbrochene Besucherstrom zielt auf die erst 2004 fertiggestellte große
Wallfahrtsbasilika San Pio da Pietrelcina,
die innen 6.500 Personen Platz bietet, auf dem weiten Vorplatz noch mal
weiteren 30.000. Diese Basilika wurde vom italienischen Stararchitekten
Renzo Piano entworfen, sein Bau dauerte 10 Jahre und kostete 36 Millionen
Euro. Die Krypta mit dem 60 Zentner schweren Sarg des
heiligen Padre Pio aus blauem Granit und der lange Korridor, der zu ihr hinführt, sind auf 2.000 Qudratmetern mit purem Gold überzogen.
Francesco Forgione
(1887–1968), später Padre Pio
genannt, geboren in Pietrelcina,
einer kleinen Stadt in der RegionKampanien, war ein Kapuziner und
Ordenspriester. Ab 1918 lebte er in San Giovanni
Rotondo inApulien,
wo er sich im gleichen Jahr zum ersten Mal der Öffentlichkeit mit den
angeblichen blutenden Wundmalen Christi präsentierte und dann fast nur noch mit verbundenen Händen vor seine
Anhänger trat. Er behauptete auch, in seiner Mönchszelle mit dem Teufel zu
ringen und wurde später vor allem als Wunderheiler bekannt. Insgesamt drei
offizielle Untersuchungskommissionen des Vatikans kamen mehr oder weniger zu
dem Ergebnis, dass es sich bei Padre Pio um einen hysterischen Scharlatan
handelt. Aber das tat seiner volkstümlichen Verehrung keinen Abbruch - im
Gegenteil. Und so wurde der Sonderling aus Apulien im Jahr2002 von
Papst Woytila heilig gesprochen.
Die
ihm gewidmete Wallfahrtsbasilika
in San Giovanni Rotondo wird
vom Franzikanerorden verwaltet; der unglaubliche Luxus, der hier beim Bau
getrieben wurde, steht allerdings ganz offensichtlich in schreiendem Widerspruch zur
spartanischen Lebensweise
des Ordensgründers Franz von Assisi, der Armut und
Bescheidenheit lebte und propagierte. Was aber niemanden in San Giovanni Rotondo
stört.
Der Jahresumsatz des Hotel- und Gaststättengewerbes wird auf 100 Millionen
Euro geschätzt, genaue Zahlen werden nicht bekannt gegeben. Dazu kommen noch
die Einnahmen einer Unzahl von Souvenier- und Devotionalienhändler, die die
Stadt bevölkern. Trotzdem hat San Giovanni Rotondo ein Problem: In den Jahren vor der
Heiligsprechung von Padre Pio erlebte der Ort einen unglaublichen Bauboom
von Hotels: alle wollten am Manna der erwarteten Millionen von Besuchern
teilhaben. Diese Millionen kamen auch, viel weniger als erwartet blieben
allerdings über Nacht in der Stadt, die meisten waren Ein-Tages-Touristen. So mussten etliche Hotels nach wenigen Jahren wieder schließen
(immerhin gibt es heute noch etwa 100), einige Bauprojekte wurden gar nicht
erst zu Ende geführt und stehen heute als traurige Bauruinen in der
Landschaft. Aber die Massen kommen weiterhin und die Stadt hat große
Probleme, die tägliche Lawine von Bussen und Privatautos zu bewältigen.