Dass es die Deutschen nach Italien zieht - und da ganz besonders in die
Tokana - ist wohl allgemein bekannt. Nicht nur im Sommer sind die
Museen und Kunstdenkmäler von Florenz und Siena voll von Schaulustigen, die
Strände der Maremma und der Insel Elba überfüllt von Sonnenhungrigen und die
Weinkellereien und Olivenfabriken von Volterra und San Gimignano
beschlagnahmt
von willigen Käufern aus dem hohen Norden.
Aber die Autorin Elna Utermöhle erzählt in ihrem Erlebnisbericht nicht von
dieser Art teutonischer Invasion, diese Touristen kommen und sie gehen auch
wieder. Sie erzählt uns von denjenigen, die bleiben und die dort ansässig
geworden sind. Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: es geht nicht um
die so genannte "Toskanafraktion", d.h. um diejenigen, die ein Zweithaus in
der Toskana besitzen und dort auch einige Wochen oder auch Monate im Jahr
verbringen, ansonsten aber fest im Großstadtleben von Berlin, München oder
Düsseldorf verankert sind. Nein, in diesem Buch geht es um echte
Ausgewanderte, für die Elna Utermöhle übrigens ein neues Wort geschaffen
hat: "Ausgewilderte", denn sie ist zusammen mit ihrem Mann in ein einsames
Haus mitten im Wald auf einem toskanischen Hügel gezogen, in die "Wildnis"
sozusagen.
In dieser "Wildnis" haben sie zwar Internet und fließendes Wasser (meistens jedenfalls),
trotzdem fühlen sie sich manchmal wie Tarzan und Jane. Das
Dilemma, in dem sie da leben, fasst die Autorin in diesen beiden Fragen
zusammen: "Wie viel Zivilisation wollen wir?" und "Wie viel Wildnis
vertragen wir?" Die Antworten sind nicht immer einfach.
Die Beschreibung der Tücken dieses Landlebens mit seinen
zahlreichen unvorhergesehenen Abenteuern mit toskanischen Wildschweinen, die
wenig Respekt vor Zäunen und mühsamen Gartenarbeiten haben, mit Ameisen, die
Telefonleitungen anknabbern sowie Schlangen und Ratten, die man da findet,
wo sie eigentlich nicht sein sollten, bildet den Hauptteil des Buches. Dass
die Autorin dieses Landleben trotz aller Mühen liebt, das merkt man an der
liebevollen und witzigen Art - häufig auch mit viel Selbstironie, in der sie von ihrem
Leben in der toskanischen Wildnis erzählt.
Aber als "Ausgewilderte" sind sie natürlich nicht allein, denn da gibt es noch andere
Austeiger, nicht nur aus Deutschland. Und die Beschreibung dieser seltsamen
Menschengattung ist vielleicht der unterhatsamste Teil des Buches: da gibt
es nämlich von "Realos" bis "Fundis" alles, was man sich vorstellen kann,
von Eremiten, die am liebsten der westlichen Welt ganz entsagen würden, aber
dann doch nicht immer können oder wollen, bis hin zu Leuten wie Elna
Utermöhle und ihrem Mann, die offensichtlich, trotz ihres festen Willens den
Hindernissen der "Wildnis" standzuhalten, die Segnungen der Zivilisation
durchaus zu schätzen wissen. Und es geht natürlich auch um die Italiener,
die ihre merkwürdigen ausländischen Nachbarn zwar wahrscheinlich für
ziemlich verrückt halten, sie aber dennoch in herzlicher Weise akzeptieren.
Aber das Buch bietet noch mehr: hier und da werden toskanische Rezepte
eingestreut und auch der "traditionelle" deutsche Toskanatourist findet
Hinweise auf interessante Reiseziele, sehenswerte Feste und andere
toskanische Tradtionen. Alles in allem: ein kurzweilig geschriebenes,
amüsantes und lesenswertes Buch, das auch einen ungewohnten, neuen Blick auf
die Toskana öffnet, mit vielen Details und Faszetten, die man sonst
nirgendwo findet.