„Da oben wachsen ja Bäume,“ staunen die Besucher am Fuße des 41
Meter hohen Torre Guinigi. In der Tat, es handelt sich um Steineichen
(siehe Foto oben), und
dieser Ziegelturm aus dem 14. Jahrhundert ist das Wahrzeichen von Lucca.
230 Stufen führen hinauf bis auf die Aussichtsplattform. Die gehen sich recht bequem, nur
Großgewachsene müssen auf den letzten Metern den Kopf einziehen.
Angeblich sind diese knorrigen Bäume so alt sind wie der Turm selbst. Die
Erbauer des Turms und des dazugehörigen Palazzo ließen sie als Zeichen der
Wiedergeburt dort oben pflanzen. Das passt zu Lucca, wurde doch das Städtchen
unter den diversen Herrschern ebenfalls immer wieder neu geboren. Denn auf die
Kelten, die zuerst hier siedelten, folgten Etrusker, Römer, Goten und Lombarden.
Vermutlich haben alle Lucca geliebt, und so ist es geblieben bis auf den
heutigen Tag.
Noch fabelhafter ist die Aussicht vom
Torre Guinigi. Unten ducken sich die Häuser mit ihren roten Ziegeldächern im
Schutz einer 4,2 km langen und 12 Meter hohen Stadtmauer. Auf die sind die
Luccheser stolz, aus gutem Grund. Vor allem der vierte
Schutzring mit seinen Bollwerken und meterdicken Mauern hat Lucca Jahrhunderte
lang die Eigenständigkeit bewahrt. Inzwischen ist die Mauer begrünt und ein
beliebter Spazierweg mit Aussicht.
Piazza Anfiteatro, das Zentrum von Lucca
Lucca, die Stadt der 99 Kirchen:
Aus Luccas Häusergewirr ragen die Kirchtürme heraus. Lucca wird auch "Stadt der 99
Kirchen" genannt. Diese Zahl erscheint fraglich, doch eines ist gewiss:
die Stadt profitierte von den Pilgerströmen auf der Frankenstraße, die von Rom
über Lucca nach Paris und bis Canterbury führte. Eine Abzweigung ging auch nach
Deutschland hinein. Noch weit wichtiger war jedoch der Seidenhandel. Der machte
manche Familien so reich, dass sie sich eigene Gotteshäuser bauen ließen.
Die ältesten, wie San Giovanni und der
Dom San Martino, stammen aus dem 4.
Jahrhundert. Unter ihnen hat man Fundamente aus der Römerzeit entdeckt. Denn
schon die Römer liebten Lucca und bauten hier ein Amphitheater. Um dieses Oval
herum, genannt Piazza Anfiteatro, reihen sich heute bunte Häuser.
Hier gibt sich Lucca echt
gemütlich.
Lucca - Stadt der 99 Kirchen - ob's stimmt?
Hier jedenfalls zwei davon: vorne San Giovanni, hinten rechts San Martino
Das farbenprächtige Fassaden-Mosaik von San Frediano
Im Sommer stehen Tische und Stühle auf dem Platz, wo die Besucher, umgeben
von 2000 Jahren Geschichte, einen Kaffee trinken können. Hier versteht man,
warum die Stadt auch Perle der nördlichen Toskana
genannt wird. Bewundernd stehen die Besucher vor der
weißen Fassade von San Martino, die ist zwar
nicht aus Marmor, sondern aus Kalkstein – wunderschön ist sie auf
jeden Fall. Drinnen streben fast alle sofort
zum Volto Santo, dem
Heiligen Antlitz. Es handelt sich dabei um ein Crucifix mit einem fremdartigen Christus-Gesicht.
Nach einer frommen Legende hat es der Hl. Nikodemus, ein Zeitgenosse Jesu,
gefertigt. Ein Engel hätte ihm das Gesicht geschnitzt. Auf einem führerlosen
Boot sei es bis Luni in Italien gelangt. Dort habe man nicht gewusst, wohin
damit, habe das Kreuz auf einen Ochsenkarren geladen und die Tiere frei laufen
lassen. In Lucca hätten sie angehalten. In San Martino ist es seit 1107.
Nach Expertenmeinung ist das Crucifix „nur“ etwa 1.000 Jahre alt und
byzantinischen Ursprungs. Doch das tut nichts zur Sache. Jedes Jahr am 13.
September wird eine Kopie des Volto Santo in einer festlichen Prozession von
San
Frediano - der Kirche mit dem farbenprächtigen Fassaden-Mosaik - über
San
Michele nach San Martino getragen. Anschließend feiert die ganze Stadt.
Die charmanten Details der Stadt:
Doch es sind nicht nur die in Reiseführern beschriebenen
Highlights, die Lucca auszeichnen. Es sind mindestens ebenso die
charmanten Details, die die Stadt so liebenswert machen. Hier einige hübsche
alte Lampen, dort ein Zierrat am Mauerwerk. Obwohl in den vergangenen Jahres
vieles gekonnt restauriert wurde, sind Patina und Flair erhalten geblieben. Lucca wirkt entspannend,
Lucca verführt, man muss es einfach lieben.
Giacomo Puccini - Luccas berühmtester Sohn:
Die Puccini-Statue in Lucca, dahinter sein Wohnhaus
Luccas berühmtester Sohn ist Giacomo Puccini. Am 22. Dezember 1858 erblickte
er hier das Licht der Welt.
Im Puccini-Museum wird seine Taufurkunde gezeigt, auf der man erstaunt
seinen kompletten Namen lesen kann: Giacomo Antonio Domenico Michele Secondo Maria Puccini.
Der Vater hatte die männlichen Vorfahren dieser Musikerfamilie in
den Vornamen seines Sohnes integriert und zum dessen Schutz auch noch "Maria" hinzugefügt.
Eigentlich wollte Puccini eine langjährige Tradition fortsetzen und genau wie
sein Vater und Großvater Organist im Dom San Martino werden. Schon in jungen
Jahren war er hier tätig. Als er
sich später um die Organistenstelle bewarb, wurde er allerdings abgelehnt. Der
junge Mann aus dem Mittelstand hatte einen rebellischen Charakter und protestierte in
Haltung und Gehabe gegen die damalige reiche und bigotte Oberschicht.
Sein Genie wurde nicht anerkannt, seine Aufsässigkeit wollte man nicht
tolerieren.
Puccini verließ also seine Heimatstadt und setzte seine Studien mit großem
Erfolg in Mailand fort. Musikfreunde können darüber nur glücklich sein, denn auf
diese Weise wurde er zum Opernkomponisten, dessen Werke in aller Welt
geliebt werden. Puccini blieb Lucca jedoch immer verbunden und traf sich
dort oft mit seinen Freunden im Café Caselli, dem heutigen Di Simo in der
Via Fillungo.