Im Mittelalter war das Glas eines der kostbarsten bekannten Materialien,
seine Herstellung war schwierig und die Techniken seiner Herstellung wurden
gehütet wie Staatsgeheimnisse. In Venedig war die Glasherstellung schon im
10. Jh. bekannt, aber erst nachdem mit dem 4. Kreuzzug (1204) die im Orient
benutzten Techniken in Venedig bekannt wurden, nahm die Glasindustrie einen
Aufschwung. Zu jener Zeit waren die meisten Glaswerkstätten noch im Zentrum
von Venedig, aber nach einigen Brandkatastrophen wurden die Werkstätten im
Jahr 1291 aus Sicherheitsgründen alle nach Murano verlegt. Es gab allerdings noch einen anderen
Grund für die Verlagerung der Produktion: das Zentrum von Venedig war immer
voll von Kaufleuten aus aller Herren Länder, es war schwierig, die
Herstellungstechniken geheim zu halten und die Angst vor Spionage war
durchaus berechtigt.
Schon im 14. Jahrhundert waren Glasprodukte aus Murano als Luxusartikel in
der ganzen Welt bekannt: wertvoller Glasschmuck, Trinkgeschirr und Vasen
wurden bis nach China exportiert. Die Techniken wurden immer mehr
verfeinert, ab dem 15. Jahrhundert kam die Spiegelherstellung dazu und
ständig wurden neue farbige Glastypen erfunden. Im 16. Jahrhundert hatte
Murano etwa 30.000 Einwohner. Seine Glasbläserfamilien gehörten zu den
reichsten und angesehendsten der venezianischen Republik, aber deren
Reichtum hing sehr von der Geheimhaltung der Produktionstechniken ab. So war
es den Glasbläsern unter Todesstrafe verboten, die Lagune zu verlassen. Wenn es einem Glasbläser gelang
aus Venedig zu fliehen, so sagte eine Verordnung aus dem Jahr 1454, wurde seine
Familie ins Gefängnis geworfen.
Zwei Glasbläserwerkstätten in Murano
Fotos:
Mex3 /
Hessam
Aber auf Dauer ließ sich ein Geheimnisverrat nicht verhindern, die Abwerber
aus Frankreich und Böhmen lockten mit viel Geld und so verbreiteten sich die
Techniken der Glasproduktion im 17. und 18. Jahrhundert auch in diesen
Ländern. Das Ende der venezianischen Republik im Jahr 1797 und ihre
Eroberung durch Napoleon besiegelte schließlich den Niedergang von Murano.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch die Initiative einiger alter
Glasbläserfamilien die Tradition der Glasproduktion wieder aufgenommen.
Heute gibt es in Murano wieder fast 100 Glashütten mit etwa 6.000
Beschäftigten, die überwiegend für den Export arbeiten. Zum Glück für die
Besucher aus aller Welt ist die Herstellung allerdings nicht mehr geheim: in
vielen Glashütten auf Murano kann man den Glasbläsern bei der Arbeit
zuschauen und ein Besucher der Insel sollte sich ein solches Erlebnis nicht
entgehen lassen.