Hoch ragen die roten Türme über eine der schönsten Altstädte Liguriens. Wer
in das enge, von einer schützenden Mauer umschlossene Gassengewirr
eintaucht, erliegt schnell der Faszination dieses geschichtsträchtigen
Ortes. Und hinter jeder Ecke wartet eine Entdeckung: knallrote, zum Trocknen
aus dem Fenster gehängte Peperonikränze, alte Reliefs an ehrwürdigen
Häuserwänden, idyllische Blicke in Hinterhöfe und auf Türme.
Einzigartig in der Region ist die Zahl der schlanken Geschlechtertürme. Über
zehn dieser mittelalterlichen Türme, die sich die reichsten Familien aus
Prestigegründen hatten errichten lassen und sich nicht scheuten, mit den
Kirchtürmen der Stadt zu konkurrieren, bilden die markante Silhouette
Albengas. Der mit über 60 Metern höchste ist die Torre del Comune, die um
1300 für eine adelige Familie gebaut wurde. Gleich daneben erheben sich die
Torre del Municipio und der
Kirchturm der Kathedrale San Michele. Hier bei
der Piazza San Michele, im Herzen der Altstadt, stehen auf engstem Raum die
markantesten Bauwerke der Stadt fotogen beieinander.
Das vielleicht bedeutendste Gebäude Albengas duckt sich dabei fast schon
unscheinbar neben die Cattedrale: das spätantike Baptisterium. Auch
die beiden Museen Museo navale romano und
Civico Museo Ingauno (siehe
unten) befinden an der
Piazza San Michele, von der aus die lebhafte Ladengasse Via d'Aste zum
breite Largo Doria nahe der Piazza del Popolo führt. Um diesen malerischen
Kern des Centro storico erstreckt sich ein überschaubares Labyrinth aus
schmalen Gassen, in dem man sich für einen kleinen Spaziergang ruhig einmal
„verlaufen“ sollte.
Nicht ganz so idyllisch präsentiert sich der Rest der Stadt. Das
Strandviertel und der nicht sonderlich romantische Lungomare werden durch den
Bahndamm von der Neustadt Albengas abgetrennt, durch die sich kerzengerade
Straßen ziehen. Die Piazza del Popolo bildet die Nahtstelle zwischen
Neustadt und Centro storico, flankiert von Wohnvierteln und dem Fluss Centa, über
dem sich eine rote Brücke elegant ans andere Ufer schwingt.
Das Stadtgebiet von Albenga erstreckt sich weitläufig in der größten
Schwemmlandebene der Region. Und wenn schon mal Platz ist in dem an großen
Flächen armen Ligurien, dann wird der auch bebaut: mit Obstplantagen und
Gewächshäusern, einem kleinen Flughafen, einer Trabrennbahn und zahlreichen
kleinen Ortschaften – arg zersiedelt, möchte man meinen, oder eben gut
genutzt.
Ein Blick in die Vergangenheit:
Schon in vorchristlicher Zeit war Albenga bevölkert und unter der
römischen Vorherrschaft wie auch im Mittelalter erlebte es eine glanzvolle Zeit.
Im ersten vorchristlichen Jahrtausend siedelten Angehörige des mächtigen
ligurischen Volksstamms der Ingauni am
Ufer des Centa-Flusses. Im 3.
Jh. v. Chr., als Rom noch mit
Karthago um die Vorherrschaft im westlichen
Mittelmeerraum kämpfte, verbündeten sich die Ingauner mit dem punischen Heer
gegen das vorrückende Rom. Die letztlich siegreichen Römer gründeten nach der Unterwerfung
der ligurischen Widersacher ihrerseits eine Stadt an der Mündung der Centa.
Dieses Municipium an der römischen Heeresstraße Via Iulia Augusta
entwickelte sich neben Luna, Genua, Vada Sabatia und Albintimilium zu einer
der größten römischen Niederlassungen am Rivierabogen: Das rechtwinklig
angelegte Albingaunum umfasste ein Forum, einen Hafen, zahlreiche
Bürgerhäuser und Villen sowie ein Amphitheater und große
Thermalanlagen. Die
Weitläufigkeit der Ruinen der Nekropole, die sich über den Hügel Richtung
Alassio erstrecken, zeugen von der Größe der Stadt. Nach dem Untergang des
Römischen Reichs zerstörten die Langobarden die blühende Hafenstadt am
Centafluss bis auf die Grundmauern.
Einige Reste der römischen Thermalanlagen Foto:
Broenberr
Ab dem 5. Jh. entstand dann ein völlig neues Albenga, das nunmehr auch
Bischofsitz war. Ende des 11. Jh. nahm die mittelalterliche Stadt mit einer
eigenen Flotte am erfolgreichen ersten Kreuzzug ins Heilige Land teil, der
dem Handel einen enormen Aufschwung und Albenga eine gewisse politische
Unabhängigkeit brachte. Die Seerepublik Genua musste diesen Aufschwung
widerwillig dulden. Verschärft wurde die konfliktreiche Beziehung zwischen den
beiden Städten im 12. Jh.
dadurch, dass sich Albenga gegen Genua auf die Seite Kaiser Friedrichs II. geschlagen
hatte. Doch nach dessen Tod 1250 war die Stadt gezwungen, mit der großen
Rivalin ein „Bündnis” einzugehen.
Zwar zeugen die rege Bautätigkeit und besonders die Entstehung der
Geschlechtertürme im 13. Jh. vom Selbstbewusstsein der Bürgerschaft von
Albenga, doch unter der Vorherrschaft Genuas, das die ligurische Provinz
sträflich vernachlässigte und bewusst klein hielt, geriet auch das
glanzvolle Albenga langsam in Vergessenheit.
Der antike Römerweg von Albenga nach Alassio -
ideal zum Wandern (ca. 8 km)
Foto: Michael Müller Verlag
Kathedrale San Michele:
Die dreischiffige Pfeilerbasilika wurde weitgehend zwischen dem 11. und dem
14. Jh. erbaut.
Außen und innen weist San Michele einen erstaunlichen Reichtum an Formen und
Stilen auf, der die wechselhafte Geschichte der Umbauten und Restaurierungen
augenscheinlich macht: Reste der frühchristlichen Krypta, aus der
romanischen Bauphase Fußböden, Rundarkaden und Achteckpfeiler, dann die
Gotik, während der die Kirche aufgestockt wurde und die Seitenschiffe sowie
den Kirchturm erhielt; schließlich die barocken „Modernisierungen”, die seit
dem 16. Jh. hinzukamen: eine erneute Erhöhung des Hauptschiffs (1582) und
der Umbau des Hauptportals (1669).
Baptisterium:
Hinter der Kathedrale steht das älteste Sakralgebäude der Stadt und eines
der bedeutendsten ganz Liguriens: die Taufkirche aus dem frühen 5. Jh. Das
Fundament des gedrungenen Baukörpers liegt ein wenig unter dem Niveau der
heutigen Straßenpflasterung. Eigenwillig ist der Grundriss: Während das
Baptisterium außen unregelmäßig zehneckig ist, zeigt es sich im Innern
achteckig. Die acht Marmorsäulen im Innenraum sind mit korinthischen
Kapitellen verziert, in der Mitte platziert ist das ebenfalls oktogonale
Taufbecken. Von großem kunstgeschichtlichem Wert sind die gut erhaltenen
byzantinischen Mosaiken (spätes 5. Jh.) in der Altarnische des
Baptisteriums.
Civico Museo Ingauno in der Torre del Comune:
Albengas höchster Geschlechterturm beherbergt im Erdgeschoss das kleine
Stadtmuseum, das v. a. spätantike Fundstücke aus Albingaunum zeigt
(teilweise Einblick auch von der Gasse aus). Die Torre del Comune ist
zugleich Zugang zum Innenraum des Baptisteriums (s. o.).
Geöffnet: Mitte Juni bis Mitte Sept. Di–So 9.30–12.30 und 15.30–19.30 Uhr,
sonst 10–12.30 und 14.30–18 Uhr, Mo geschlossen.
Die Torre kann auch bestiegen werden: tägl. 18–19 Uhr (außer Mo); da sich
die Zeiten gelegentlich ändern, besser bei der I.A.T. oder in der
Biglietteria nachfragen.
Museo Navale Romano:
Das „Museum der Römischen Seefahrt” im Palazzo Peloso Cepolla, am westlichen
Ende der Kathedralenpiazza San Michele, verdankt seine Existenz einem
archäologischen Glücksfall: Im 1. Jh. v. Chr. sanken zwei voll beladene
römische Frachtschiffe in den küstennahen Gewässern der Riviera di Ponente.
Im Lauf der Jahrhunderte wurden sie mit Sediment bedeckt, dadurch geschützt
und schließlich in den 1950er und 1970er Jahren entdeckt und geborgen. In
den Schiffsrümpfen lagerten nach gut zwei Jahrtausenden nahezu unversehrt
Hunderte von Amphoren und Gefäßen, in denen spanischer Wein, Öl, Nüsse und
Getreide transportiert worden waren. Ein Großteil der spektakulären Funde
ist hier ausgestellt: eine sehenswerte Sammlung aus schlanken und weniger
schlanken Amphoren, Bleiankern, Bootszubehör, Keramikgeschirr etc.
In den mit Fresken geschmückten Museumssälen ist zudem eine wertvolle
Sammlung von Apotheker-Keramik zu sehen; die blau-weißen Teller und Gefäße
stammen aus den einst renommierten Manufakturen von Albisola und Savona.
Geöffnet: Mitte Juni bis Mitte Sept. Di–So 9.30–12.30 und 15.30–19.30 Uhr,
sonst 10–12.30 und 14.30–18 Uhr, Mo geschlossen.
Museo Diocesano di Arte Sacra:
Das Diözesanmuseum befindet sich im Bischofspalast gleich neben dem
Baptisterium; zu sehen sind unter anderem Teile des Domschatzes, Gemälde
genuesischer Künstler aus dem 16./17. Jh., flämische Wandteppiche und einige
mehr oder weniger gut erhaltene Fresken.