In dieser grünen Oase hat in den
letzten Jahrhunderten
eine illustre internationale Gesellschaft ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Foto:
LuciusCommons
Warum gibt es diesen Friedhof?
Solange der Kirchenstaat
exixtierte und die Stadt Rom vom Papst regiert
wurde, d.h. bis zur Eroberung Roms durch die Truppen der italienischen
Regierung im Jahre 1870, war für nicht-Katholiken eine Beerdigung auf dem
"geweihten Boden" Roms strengstens verboten, ein Verbot, das auch für
Prostituierte und Selbstmörder galt. Im Jahr 1716 wurde es zum ersten Mal
Protestanten und anderen nicht-Katholiken gestattet, Beerdigungen auf dem Gelände
um die Pyramide des Caius Cestius, damals am Stadtrand von Rom,
durchzuführen. Allerdings wurden Grabsteine erst ab 1765 zugelassen, Grabkreuze
waren sogar bis zum Ende des Kirchenstaats (1870) verboten.
Im 18. und 19. Jahrhundert kamen verstärkt Ausländer nach Rom, die nicht
katholischen Glaubens waren, vor allem Engländer und Deutsche, die Rom auf
einer Bildungsreise besuchten. Unter ihnen waren zahlreiche Schriftsteller, Maler,
Bildhauer, Schauspieler und Archäologen, die z.T. viele Jahre in Rom
lebten. So wurde auch die Einrichtung eines Friedhofes für sie notwendig.
Die Beerdigungen auf dem Feld, das 1822
offiziell zum cimitero acattolico
(nicht-katholischer Friedhof) wurde, durften bis 1870 allerdings nur Nachts
stattfinden, mit der offiziellen Begründung, dass sie vor
Übergriffen durch (katholische) Fanatiker geschützt werden
müssten. Zum anderen aber sicher auch, weil die Anwesenheit
nicht-katholischer Ausländer in Rom zwar nicht zu vermeiden war, deren
religiöse Riten dem Vatikan aber immer ein Dorn im Auge waren und vor der
Bevölkerung möglichst versteckt werden sollten.
Der Unterhalt des Friedhofs musste von den Ausländern selbst finanziert
werden, nach dem Ende des Kirchenstaats, von 1871 bis zum Ende des Ersten
Weltkriegs wurde der Friedhof dann vom Botschafter des Deutschen Reichs in
Rom verwaltet, später von einem Komitee aus Diplomaten verschiedener
Staaten.
Warum ist der Friedhof heute ein so beliebtes Besucherziel?
In den heute oft dicht beieinander liegenden Grabstätten hat in den letzten
Jahrhunderten eine illustre internationale Gesellschaft ihre letzte
Ruhestätte gefunden. Viele Besucher pilgern hierher, um am Grab ihres
Lieblingsdichters oder Lieblingsmalers ein paar Blumen zu
hinterlegen, viele kommen auch nur zu einem Spaziergang unter den hohen
Zypressen dieser grünen und stillen Oase im Schatten der Pyramide von Caius
Cestius, abseits des Lärms des nahen Stadtverkehrs. Es sind
hauptsächlich Engländer, Deutsche, Russen, Amerikaner und auch einige
Italiener, die hier begraben sind, die meisten sind Künstler
oder Wissenschaftler, einige auch Politiker und Diplomaten.
Eine Kuriosität dieses Friedhofs sind die zahlreichen zwischen den Gräbern
lebenden Katzen, die offensichtlich die Ruhe dieses Ortes sehr schätzen und
die von Freiwilligen, den sogenannten römischen "Katzenmüttern", regelmäßig mit Futter versorgt werden.
Das Grab des deutschen Architekten Gottfried Semper
Foto:
Westerdam
Einige bekannte deutsche Persönlichkeiten, die hier begraben sind:
Walter Amelung (1865–1927), Archäologe,
lebte seit 1895 in Rom als Mitarbeiter des Deutschen Archäologischen
Instituts (DAI). Er verfasste zahlreiche Kunstführer und leistete
wesentliche Beiträge zur Rekonstruktion vieler antiker Statuen. Er war
Ehrenmitglied der "Society for the Promotion of Hellenic Studies".
Karl Julius Beloch (1854–1929), Althistoriker, verfasste eine mehrbändige Griechische Geschichte, die sehr
einflussreich war und bis heute, trotz neuerer Forschungsergebnisse, als
grundlegend gilt. Ebenfalls als Standardwerk gilt seine Arbeit über die
Demographie der alten Welt, die, trotz mancher neuerer Erkenntnis und
einiger Korrekturen, wohl recht genau war. Außerdem veröffentlichte er
unter anderem auch eine Römische Geschichte.
Asmus Carstens (1754–1798), Maler,
lebte von 1792 bis zu seinem Tode 1798 in Rom, wo er sich mit dem
Studium der Antike und vor allem der Werke von Raffael und Michelangelo
befasste. Die Auseinandersetzung mit diesen Malern und mit den antiken
Meisterwerken schlägt sich in seinen folgenden Arbeiten nieder.
Cäsar von Dachröden (1808–1882), Intendant und
Hofmarschall, war ein Neffe Wilhelm von Humboldts, er stand im Dienst
verschiedener deutscher Höfe, als Leiter von Hofkapellen und Hoftheater
und als Schlossverwalter. Er war einer der führenden Freimaurer in
Deutschland.
Karl Philipp Fohr (1795–1818), Maler,
war ein bedeutender Landschaftsmaler der deutschen Romantik.
Das Grab von August von Goethe, dem Sohn von Johann
Wolfgang von Goethe
Foto:
Alessio Damato
August von Goethe (1789–1830), das einzige unter
den fünf Kindern von Christiane und Johann Wolfgang von Goethe, der das
Erwachsenenalter erreichte, war vor allem naturwissenschaftlich
interessiert. Er blieb jedoch durch die Übermacht seines Vaters de facto
dessen Untergebener. Während seiner kurzen Italienreise erkrankte er und
starb schon mit 40 Jahren, zwei Jahre vor dem Tod seines Vaters.
Henriette Hertz (1846–1913), Kunstsammlerin und
Mäzenin, ist vor allem durch die Gründung des ersten Instituts für
Kunstgeschichte in Rom, der Bibliotheca Hertziana, bekannt, mit der sie
Forschungen zur römischen Kunstgeschichte, speziell der Renaissance
vorantreiben wollte.
August Kestner (1777–1853) war Jurist, Diplomat,
Archäologe und Kunstsammler. Durch die Personalunion von Hannover und
Großbritannien wurde er der erste Botschafter des Vereinigten
Königreiches beim Vatikan. Er war der Sohn der von Goethe im Roman "Die
Leiden des jungen Werthers" als Lotte verehrten Geliebten.
Malwida von Meysenbug (1816–1903), eine deutsche
Schriftstellerin, die sich auch politisch und als Förderin von
Schriftstellern und Künstlern betätigte. Besonders verbunden war sie mit
Friedrich Nietzsche, der sich zur gleichen Zeit wie sie häufig in
Italien aufhielt. Sie war im Jahr 1901 die erste Frau, die für den
Literaturnobelpreis nominiert wurde.
Hans von Marées (1837–1887), war ein Maler
des deutschen Idealismus. Mit seiner monumentalen Überhöhung einer
realistischen Szenerie am Golf von Neapel schuf er eine der
bedeutendsten deutschen Kunstleistungen des 19. Jahrhunderts.
Gottfried Semper (1803–1879), Architekt und
Kunsttheoretiker, gilt als Vertreter des Historismus, insbesondere der
Neorenaissance. Er war der Architekt zahlreicher berühmter Gebäude, vor
allem in Dresden (Semperoper) und in Wien (Kunsthistorisches und
Naturhistorisches Museum, Neue Hofburg und Burgtheater).
Wilhelm Waiblinger(1804–1830), war ein Dichter
und Schriftsteller, der eng mit Friedrich Hölderlin und Eduard Mörike
befreundet war. Wegen seiner Homosexualität wurde er von seinen
Zeitgenossen häufig ignoriert. 1826 kam er nach Rom, das ihm aus
kulturgeschichtlicher Perspektive und auch in Hinsicht auf seinen
freizügigen Lebensstil reizvoll erschien. Hier verfasste er Werke, die
Alltagsszenen aus dem Leben in Italien beschreiben. In Rom vollendete er
auch die erste Hölderlin-Biographie.
Wilhelm von Humbold(1794–1803) und
Friedrich Konstantin Gustav von Humbold (1806–1807), zwei
sehr jung gestorbene Söhne des preußischen Schriftstellers und
Staatsmanns Wilhelm von Humboldts, der seinerzeit preußischer Gesandter in Rom
war.
Andere vielbesuchte Grabstätten von Persönlichkeiten anderer Nationalitäten:
Die Gräber der beiden Freunde John Keats und Joseph Severn
Foto:
Jimmy Renzi
John Keats (1795–1821) war einer der wichtigsten
Dichter der englischen Romantik. In seinen Gedichten behandelte er
Fragen nach Schönheit, Vergänglichkeit und Tod. Sein Grab ist eines der
meistbesuchten auf dem nicht-katholischen Friedhof in Rom. Auf eigenen
Wunsch wurde statt seines Namens auf seinem Grabstein geschrieben:
“Here lies One Whose Name was
writ in Water.” (Hier ruht jemand, dessen Name ins Wasser geschrieben
wurde).
Joseph Severn(1793-1879), ein englischer Maler der
Romantik, war ein enger Freund von John Keats. Sein Grabstein steht
direkt neben dem seines Freundes.
Percy Shelley (1792-1822) war ein englischer
Schriftsteller der Romantik und ein Verfechter des Atheismus. Auch er
war ein Freund von John Keats. Seine Frau, Mary Shelley, ebenfalls
Schriftstellerin, schrieb den Roman "Frankenstein".
William Story(1819-1895) war ein amerikanischer
Bildhauer, Kunstkritiker und Dichter sowie Verfasser politischer und
rechtswissenschaftlicher Schriften.
Karl Brjullov (1799–1852) war ein russischer Maler
und Architekt. Er malte vorrangig Porträts und Monumentalgemälde. Er war
der erste russische Maler, dem internationale Anerkennung zuteil wurde.
Antonio Gramsci(1891-1937) war ein italienischer
Journalist, Politiker und einer wichtigsten marxistischen Philosophen.
Er gehört zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens und war
Abgeordneter im italienischen Parlament.
Die Pyramide des Caius Cestius ist das Grabmal des
römischen Prätors und Volkstribuns Gaius Cestius Epulo (1. Jahrhundert v.
Chr.),
hinter ihr liegt der nicht-katholische Friedhof. Rechts die "Porta San
Paolo".
Foto:
Blackcat