Das Castel del Monte, das seit 1996 zum UNESCO-Welterbe gehört,
ist bis heute ein einziges großes Rätsel. Sowohl über
seine Form wie auch über seine Funktion gibt es nur mehr oder weniger
wahrscheinliche Hypothesen. Sicher ist nur, dass die aus hellem gelblichem
oder grauweißem Kalkstein gebaute Burg in der ersten Hälfte des 13.
Jahrhundertsauf Anweisung des NormannenkönigsFriedrich II
errichtet, aber wahrscheinlich nie ganz vollendet wurde, besonders was
den Innenausbau betrifft. Der Architekt, der über bemerkenswerte
matematische Kenntnisse verfügt haben muss, ist unbekannt.
Die Form: die achteckige Form mit acht ebenfalls
achteckigen Türmen und einem achteckigen Innenhof hat keinerlei
architektonische Vorbilder und ist auch danach nie mehr angewandt worden. Es
gibt zwar einige Ähnlichkeiten mit Pfalzbauten damaliger Zeit in
Deutschland, das Castel ist aber dennoch einzigartig in seiner Form. Einige
Indizien lassen darauf schießen, dass die Burg ursprünglich nicht zwei
Stockwerke (wie heute) sondern drei hatte und dass die Türme die Außenmauern
der Burg stärker überragten als heute, sodass die urprüngliche Form noch
sehr viel imposanter gewirkt habem muss. Dass die Innenräume kahl und kalt
wirken liegt daran, dass die ursprüngliche Marmorverkleidung der Wände und
die gesamte Inneneinrichtung im 16. Jahrhundert entfernt und zu privaten
Zwecken weiterverwendet wurde. Ein weiteres Rätsel ist, dass es im Castel
zwar Toiletten und Bäder, aber keine Küche gibt.
Bei den im Jahr 1900 begonnenen Restaurierungsarbeiten, die den
damals sehr heruntergekommenen Bau wieder verschönerten, wurden leider
auch viele archäologisch wertvolle und aufschlussreiche Fund- und
Bruchstücke, die damals um die Burg herum verstreut lagen, einfach auf die
Schutthalde befördert. Diese rein nach ästhetischen Gesichtspunkten, aber
nicht sehr wissenschaftlich durchgeführte Restauratiion hat, ebenso wie der
Diebstahl von Marmorplatten und Einrichtungsgegenständen im 16. Jahrhundert,
die Aufklärung der vielen ungeklärten Fragen, die Form und Funktion der Burg betreffen, sehr erschwert.
Die Funktion: Obwohl die Burg einen sehr massiven und
wuchtigen Eindruck macht, ist es unwahrscheinlich, dass sie zu militärischen
Zwecken gebaut wurde. Das Fehlen eines Burggrabens und zahlreicher anderer
für Wehrburgen typischer Elemente schließen das aus. In dieser Form hätte
die Burg keiner Belagerung standhalten können. Im Übrigen war sie in einer
militärstrategisch relativ unbedeutenden Gegend errichtet worden. Eine
weitere Theorie ist die, dass die Burg als Stützpunkt für Jagdausflüge
Friedrichs II dienen sollte: der Normannerherrscher war ein
leidenschaftlicher Jäger, der sogar Bücher über die Falkenjagd vefasst hat.
Für ein Jagdschloss ist das Castel del Monte allerdings überdimensioniert,
außerdem fehlen die für den Zweck nötigen Ställe. Die
Tatsache, dass die Burg von weitem einer Krone ähnelt und dass die damalige
Kaiserkrone ebenfalls eine achteckige Form hatte, gab Anlass zu der Theorie,
dass es sich beim Castel del Monte um eine reine Demonstration der
kaiserlichen Macht handelte, um ein Symbol der Beherrschung des Gebietes,
ein Symbol, das weithin sichtbar war.
links: das Eingangsportal rechts: der Thronsaal im Innern des Castels Fotos:
Vic15 /
AlMare
oben: das Eingangsportal unten: der Thronsaal im Innern des Castels Fotos:
Vic15 /
AlMare
Der an vielen Indizien ablesbare Symbolcharakter der Burg
und die vielen ungelösten Fragen haben - unvermeidbar - die verschiedensten
phantasievollen Theorien aufblühen lassen, die sich immer da einnisten,
wo das exakte Wissen keine Antworten gibt. Zum Beispiel Theorien, die die Form der Burg mit
astronomischen Konstellationen in Verbindung bringen oder mit der Form der
Cheops-Pyramide in Ägypten. Diese Theorien bleiben aber im Wesentlichen im
Reich der Phantasie und halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht
stand.
Auch die von Reiseführern gern erzählten Zahlenspiele, die um die
Abmessungen der Burg, seiner Türme und seiunes Innenhofs ranken, haben eher
anekdotischen Charakter.